Das stille Sterben im jungen Wald
Autor: Heike Beudert
Münnerstadt, Montag, 22. August 2022
Wie der Klimawandel und der Trockensommer 2022 im Münnerstädter Stadtwald die forstliche Arbeit von zwei Jahrzehnten zunichte machen. Die Hoffnungen lagen auf hitzeresistenten Gewächsen - doch auch die darben.
Es ist ein lautloses Drama, das sich auf einigen Flächen des Stadtwaldes abspielt. Auf den felsigen Plateaulagen kämpft der junge Wald ums Überleben. Der fehlende Regen in diesem Sommer lässt die Pflanzen verdursten. Viele Bäume haben diesen Kampf bereits verloren. Stadtförster Jörg Mäckler steht fassungslos in einer Naturverjüngung, deren dichter Bestand noch vor einem Jahr der hoffnungsvolle Nachwuchs für den zukünftigen Wald war. Jetzt haben die teilweise schon mannshohen Buchen ihr Laub braun verfärbt wie sonst erst im Oktober oder November. "Ich gehe davon aus, dass total verdorrte Pflanzen ausfallen und nicht mehr austreiben", sagt Stadtförster Jörg Mäckler.
Nicht besser sieht es an Standorten mit gezielter Aufforstung aus. Am Michelsbergrondell hat Mäckler Jungpflanzen setzen lassen, die als trockenheitsresistent gelten. Es handelt sich um den türkischen Haselbaum. Doch selbst diese widerstandsfähige Sorte darbt. Um anzuwachsen, braucht auch sie Wasser. Heuer verdursten am Michelsberg sogar die bei Förstern ungeliebten, aber ausgesprochen zähen Schwarzdornhecken.Das ist ein Zeichen, dass die Natur der Trockenheit nichts mehr entgegensetzen kann.
In den letzten zehn Jahren wurden im Stadtforst im Hinblick auf den Klimawandel rund 200.000 Bäume gesetzt, von denen man sich gute Widerstandsfähigkeit gegen Hitze und Trockenheit versprach. Aktuell geht Mäckler anhand der Schadensbilder davon aus, dass 50 Prozent davon ausfallen werden. Der Forstmann rechnet mit einem finanziellen Schaden im sechsstelligen Bereich. Das gesamte Ausmaß der Schädigung wird sich wohl erst im Frühjahr 2023 zeigen, meint Jörg Mäckler.
In diesem Jahr treffen Hitze und Trockenheit weniger die alten Bäume. Diese profitieren dank ihrer tiefen Wurzeln noch etwas vom ergiebigen Winterregen. So halten sich ausgerechnet die sonst schwächelnden alten Kiefern halbwegs gut, während die hoffnungsvollen Jungbäume verdorren. Deren Wurzelwerk reicht nicht in die Tiefe, wo Feuchtigkeit ist. Der Boden sei auf den Muschelkalkhängen des Stadtgebietes bis zu einem Meter Tiefe ausgetrocknet. Besonders betroffen sind die Lagen Dippach, Nüdlinger Weg, Pfisterleite, Maital, Windsburg oder Teufelsboden. 25 Jahre Arbeit sieht Mäckler gerade dahinsiechen.
Was kann man machen?
Doch der Förster resigniert nicht. Er kämpft wie sein Wald weiter. Teilweise zeigt die Natur selbst den künftigen Weg. So präsentiert sich eine kleine Naturverjüngung am Michelsberg robust. Es sind Spitzahornbäume, die hier aufgegangen und noch immer weitgehend grün sind. Der Spitzahorn scheint mit den Bedingungen zurecht zu kommen. Es breitet sich über diese Jungpflanzen jedoch ein schützendes Laubdach großer Bäume aus. Im Zuge des Klimawandels müsse man beim Einschlag noch mehr darauf achten, große, der Sonne ausgesetzte Flächen zu vermeiden, sagt Mäckler. Einzelne Bäume mit hohen Kronen als Schattenspender sind wichtiger denn je. Doch sonnige Freiflächen lassen sich nicht immer komplett umgehen, beispielsweise dann, wenn Käferbefall ganze Waldstücke absterben lässt.
Die Naturverjüngung wird immer wichtiger. Bäume verstreuen tausendfach ihre Samen. Es überleben die Pflanzen, die die besten Bedingungen vorfinden und die am robustesten sind. Für Jörg Mäckler bedeutet dies, dem Wald Freiheit zurückzugeben, sich selbst zu entwickeln. Es ist für den Fachmann aber kein Abschied vom Wirtschaftswald, betont er ausdrücklich. Denn Holz sei weiterhin ein wichtiger, heimischer Rohstoff, der überall gebraucht werde.
Pflanzen regelrecht gegart
Weniger Pflanzen setzen, diese aber in den ersten Jahren zu bewässern, sei eine Option, um Ausfälle zu vermeiden, erläutert Jörg Mäckler. Wassersäcke, wie es sie vor allem für Stadtbäume gibt, wären eine Möglichkeit. Dazu müssten aber größere, schon widerstandsfähigere Pflanzen gepflanzt werden, dafür aber im weiteren Abstand und in weniger großen Mengen als bisher. Allerdings könne man eine solche Bewässerung nur punktuell und nicht für alle Jungpflanzen leisten.