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Das Risiko fährt im Notfall immer mit


Autor: Charlotte Wittnebel-Schmitz

Bad Kissingen, Dienstag, 14. Dezember 2021

Gute Nerven und den passenden Führerschein: Das braucht es, um im Notfall den Rettungswagen zu steuern. Aber es gibt nicht mehr so viele, die das können.
Ersthelfer rettet Leben. Aber wer fährt das Auto?Foto: Boris Roessler/dpa


Schreckensszenario 1: Es kommt zu einer Massenkarambolage auf der Autobahn, aber es gibt keine Person, die den Rettungswagen fahren kann. Szenario 2: Der Rettungswagen landet in der Saale, weil der Fahrer die Bremse nicht gefunden hat. Szenario 3: Der Rettungswagen verunglückt auf dem Weg zum Einsatzort.

Damit die Szenarien nicht Realität werden, braucht es den passenden Führerschein und Übung. Jeder Handgriff muss sitzen, Retter müssen schnell sein. Maximal zwölf Minuten: Solange dürfen Rettungsfahrzeuge im Schnitt bei einem Notfall brauchen, um am Einsatzort zu sein.

Das schreibt eine Verordnung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes vor. Im Landkreis sind deshalb von der Rettungswacht an den Standorten Bad Kissingen, Bad Brückenau, Markt Maßbach, Münnerstadt, Hammelburg und Oberthulba Rettungswägen eingeplant, um im Notfall möglichst schnell an jedem Ort im Landkreis zu sein.

Helfer müssen gute Nerven bewahren, wenn sie mit dem Rettungswagen (RTW) mit Blaulicht und Martinshorn durch dichten Verkehr fahren. Neben einer gesunden Stressresistenz braucht es den passenden Führerschein. Das ist ein Problem: Denn von den Ehrenamtlichen kann kaum jemand einfach so noch die 7,5 Tonnen schweren Autos für den Rettungsdienst oder Katastrophenschutz fahren.

"Es wird immer schwieriger, jemanden zu finden, der den Rettungswagen fahren kann", sagt Alexander Kretz, Leiter für Pflege und Soziales beim BRK-Kreisverband Bad Kissingen. "Diejenigen, die nachkommen, haben den normalen Führerschein, aber keinen Lkw-Führerschein." Für die meisten gebe es keinen Grund, sich für den teuren Führerschein zu entscheiden. Für Ehrenamtliche gibt es aber die Möglichkeit, einen "Helferführerschein" zu machen.

Wichte Schulung für Ehrenamtliche

Dazu haben sich acht Ehrenamtliche des BRK entschlossen. Einer von ihnen ist Julian Albert (22). Er ist seit 13 Jahren beim BRK und ist bei Festen, Faschingszügen, Sportveranstaltungen und Katastrophenlagen im Einsatz, um im Notfall schnell vor Ort zu sein. "Es ist gut, dass wir den Helferführerschein machen können, um den Katastrophenschutz aufrecht zu erhalten", sagt er. Fehlende Mitglieder seien zudem ein Problem: "Im ganzen Kreisverband werden immer neue motivierte Helfer gesucht."

Albert und die anderen Ehrenamtlichen absolvierten sechs Theorieeinheiten, mindestens sechs Fahrstunden und eine Prüfung von 60 Minuten Länge. Nicola Kohlhepp und Thorsten Barke von der Fahrschule Rhön übten mit den Teilnehmern etwa scharfes Bremsen, einparken und eine sichere und zügige Fahrweise.

"Die Ausgebildeten leisten einen erheblichen Beitrag zur Alarmierbarkeit der Katastrophenschutzeinheiten im Landkreis", sagt Kretz, der die Ausbildung für den Helferführerschein organisierte.

Eine Fahrt mit Blaulicht und Martinshorn habe ein achtfach höheres Unfallrisiko. Die Autos seien Automatik. "Mit dem linken Fuß kann man das Martinshorn an- und ausmachen, damit sich die Fahrer voll aufs Fahren konzentrieren können. Aber der Fahrer muss mit Fehlern anderer rechnen: Nur weil Blaulicht und Martinshorn an sind, hat man noch lange keine freie Bahn."

Die Kombination aus optischem und akustischem Warnsignal sei wichtig. Denn wenn Autofahrer laut Radio hören, bemerken sie möglicherweise das Signal nicht und reagieren dann stattdessen eher auf das Blaulicht.

Hohes Unfallrisiko

Gefährlich wird es immer dann, wenn sich die Menschen im Verkehr anders verhalten als erwartet. Etwa wenn die Einsatzkräfte über eine rote Ampel fahren. Oder wenn Unbeteiligte nicht verstehen, warum die Autos vor ihnen langsam machen und rechts ranfahren, sie dann links überholen, weil sie den Notfalleinsatz nicht mitbekommen haben.

"Worstcase" sei es, wenn ein Rettungswagen in einen Unfall gerät, sagt Kretz. "Dann fehlen zwei Rettungswägen. Zum einen ein Auto, um Patienten zu versorgen, zum anderen ein Auto, um sich um die RTW-Besatzung zu kümmern." Seltener seien Auffahrunfälle, etwa wenn ein Rettungswagen in zweiter Reihe parke. Dass ein Auto mal zur Seite geschoben werde, weil es im Weg steht, sei extrem selten. "Die Feuerwehr ist da rigoroser. Bevor das Hochhaus brennt, fliegt dann auch mal der Spiegel."

Kein Problem bei der Feuerwehr

Bei der Feuerwehr trete das Problem fehlender Fahrer nicht auf, berichtet Harald Albert von der Feuerwehr Bad Kissingen. Die Stadt zahle die Kosten, um die schweren Maschinen zu steuern.

Übrigens: Wer erwägt, beim BRK kostenfrei den Führerschein für schwere Autos zu machen, liegt falsch. "Die Ehrenamtlichen können nicht sagen: Juhu, ich fahre jetzt für eine Spedition oder miete mir einen großen Lkw für den Umzug", erklärt Kretz. Die Fahrer dürfen nur die organisationseigenen Fahrzeuge für den Rettungsdienst oder den Katastrophenschutz fahren.