Druckartikel: Das Personal für die Musik der Zukunft steht schon in den Startlöchern

Das Personal für die Musik der Zukunft steht schon in den Startlöchern


Autor: Thomas Ahnert

Bad Kissingen, Montag, 23. Juni 2014

Next Generation" war das Konzert überschrieben, bei dem sich im Rossini-Saal sechs junge Leute der interessierten Öffentlichkeit vorstellten.
Noa Wildschut, die Jüngste des Sextetts, und Kiveli Dörken.


Bad Kissingen — "Next Generation" war das Konzert überschrieben, bei dem sich im Rossini-Saal sechs junge Leute der interessierten Öffentlichkeit vorstellten. Die Erwartungen waren hoch, denn die Internationale Musikakademie im Fürstentum Liechtenstein, an der sie ausgebildet werden, genießt einen ausgezeichneten Ruf. Und um es gleich vorneweg zu sagen: Die Erwartungen wurden erfüllt. Es war enorm viel künstlerisches Potenzial zu erleben.
Etwa bei dem Cellisten Kian Soltani, mit 21 Jahren schon der Senior der Truppe. Er hat bereits den selbstbewussten, stilsicheren Zugriff, den ein Musiker braucht, wenn er sich durchsetzen will. Und er hat auch schon das gestische Repertoire, das die Virtuosität unterstreicht. Mit Sara Plank (16) spielte er die "Variationen über God Save the King" von Ghys und Servais, musikalisch überflüssig, aber technisch spektakulär. Darüber hinaus lieferte Soltani gemeinsam mit Mario Häring (25) wunderbar unromantisch konkret und zupackend gespielte Fantasiestücke für Violoncello und Klavier op. 73 von Schumann, gefolgt von der ebenso intensiv gestalteten Ungarischen Rhapsodie von David Popper. Wie sehr sich Häring da von Soltani mitreißen ließ, zeigte sich bei Rachmaninoffs Moments musicaux b-moll und e-moll: technisch glänzend gemacht, aber zu sehr auf schönen, konfliktarmen Klang musiziert. Da fehlten ein paar Ecken und Kanten der Persönlichkeit.
Der Gefahr erlag auch der Bratscher Adrien Boisseau. Er hat ein wunderbar warm und weich klingendes Instrument, das er souverän beherrscht, dem er bei Schumanns Märchenbildern op. 113 sehr feine Klangbilder entlockte. Aber er schreckte offenbar noch davor zurück, markantere Impulse zu setzen, um die Klangidylle nicht zu beschädigen.
Seine Partnerin am Klavier, Kiveli Dörken, hätte da Anregungen parat gehabt - wer über den Namen stolpert: ihre Schwester Danae war 2010 beim KlavierOlymp. die 19-Jährige hinterließ den Eindruck einer erstaunlichen Komplettheit: nicht nur als umsichtige, sensibel reagierende Begleiterin, sondern auch als Solistin: Es gelang ihr wirklich, Skrjabins Fantasie op. 28 nicht nur äußerst durchdacht, sondern auch melodisch betont zu spielen.

Erst die Technik, dann die Musik

Von Sara Plank kann man in nächster Zeit den größten Entwicklungssprung erwarten. Sie ruht virtuos in sich, hat aber auch schon begonnen, mit ihrer guten Technik Musik zu machen. Dafür scheint sie ein ausbaufähiges Gespür zu haben. Die "King-Variationen" boten dazu wenig Gelegenheit, die Valse-Scherzo op. 34 von Tschaikowsky schon erheblich mehr. Und in Sarasates Navarra op. 33 für zwei Violinen und Klavier riss sie mit ihrem Zugriff in Assistenz von Kiveli Dörken die 13-jährige Noa Wildshut kurzerhand mit. Das Nesthäkchen der Gruppe hatte zuvor Ravels Tzigane gespielt: technisch erstaunlich sicher und präzise, ganz ernsthaft, ein wenig in sich zurückgezogen.

Das Programm und die Jugend

Dass zu den zwei lachenden auch ein weinendes Auge kam, lag nicht an den jungen Leuten, sondern am Programm. Bei ihnen geht es zunächst einmal um die technischen Grundlagen und deren Sicherung, um das, was man später einmal Virtuosität nennen wird. Die Musik kann erst einsetzen, wenn die technischen Voraussetzungen gegeben sind.
Aber das Konzert war nicht mit "Last Generation", sondern mit "Next Generation" überschrieben - und das zu Recht, denn von diesen jungen Leuten wird man noch hören. Aber warum mussten die jüngsten Stücke des Programms 100 Jahre alt sein? Es gibt keine Schule, die heute ihre Schüler mit 100 Jahre alten Lehrbüchern unterrichtet - obwohl auch da nur wenig Falsches drin steht. Natürlich fordert das der Markt. Aber warum können sie sich bei derartigen Gelegenheiten wie diesem musikalischen Schaulaufen nicht mit einer Musik auseinandersetzen, die näher an ihrer eigenen Lebenswirklichkeit ist? Der Veranstaltungsmarkt zwingt sie noch früh genug in das gewohnte Programmkorsett.