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Das Land muss junge Ärzte von der Uni holen


Autor: Gerd Schaar

Bad Brückenau, Donnerstag, 27. Juni 2013

Ein Schwerpunkt-Arbeitskreis hinterfragt die medizinische Versorgung in Bad Brückenau. Durch den demografischen Wandel einerseits und der Abwanderung der Jugend in Richtung Großstadt ist Ärztemangel auf dem Land ein immer schwerer wiegendes Problem.
"Neben dem Geld ist auch die Attraktivität des Standortes für die Niederlassung eines Arztes wichtig", meint Planer Dr. Jens-Martin Gutsche.Foto: Gerd Schaar


Es gibt immer weniger Ärzte im ländlichen Bereich. Demographische Untersuchungen melden dort auch weiterhin den allgemeinen Geburtenrückgang und speziell das Abwandern junger Leute. Automatisch gibt es von Jahr zu Jahr einen Zuwachs an Senioren, die mehr ärztliche Versorgung brauchen als die Jungen. Die Schere der Gegensätze öffnet sich immer mehr.

"Dringend Arzt gesucht". Mit solchen Hilfeschreien auf Plakaten ist Burkardroth offensichtlich nicht allein. Um die Ärzteversorgung bis in den hintersten Winkel des Altlandkreises Bad Brückenau ging es dem Schwerpunkt-Arbeitskreis in der Georgi-Kurhalle. Das erstmals so dichte Zusammentreffen von Ärzten mit Kommunalpolitikern wurde von beiden Seiten als fruchtbar und längst fällig angesehen.

Die acht Kommunen Bad Brückenau, Geroda, Motten, Oberleichtersbach, Riedenberg, Schondra, Wildflecken und Zeitlofs erarbeiten zusammen als Brückenauer Rhön-Allianz schon lange ein integriertes ländliches Entwicklungskonzept (ILEK). Nach Terminen der Arbeitskreise in Bereichen wie "Netzinfrastruktur, soziale Infrastruktur und Kultur" rückte jetzt die Thematik der ländlichen Gesundheitsversorgung und der ärztlichen Nahversorgung ins Blickfeld.

Der Einfluss der Kommunen

Speziell mit den Perspektiven der ärztlichen Versorgung im Gebiet der Rhön-Allianz hatte sich Planer Dr. Jens-Martin Gutsche eingehend beschäftigt. "Zusätzlich zu der allgemeinen demographischen Entwicklung mit Bevölkerungsschwund auf dem Lande kommt noch die Erkenntnis, dass die Ärzte hier im Durchschnitt 55 Jahre alt sind", sagte Gutsche. In etwa zehn Jahren seien diese selbst im Seniorenalter. "Junge Ärzte müssen her", laute die logische Schlussfolgerung. Doch woher soll man sie nehmen?

Freilich, die Kommunen könnten nicht komplett für diese drohende Unterversorgung mit Ärzten verantwortlich sein, betonte Gutsche und fügte an: "Aber Sie haben ein hohes Maß an Einfluss, die ärztliche Niederlassung bei Ihnen attraktiv zu gestalten". Neue Ärzte seien durch Wohlfühl-Bedingungen auf das Land lockbar. Auch die Erreichbarkeit der Arztpraxen mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei ein wichtiger Punkt.

Auf das Problem der erhöhten Dienstbelastung mit langen Anfahrten zu Hausarzt-Patienten, die in einem großflächigem Gebiet wohnen, wies der Mediziner Dr. Jürgen Kleinhenz hin, der im Staatsbad Brückenau zusammen mit Dr. Jürgen Streit eine Gemeinschaftspraxis hat. Kleinhenz bedauerte, dass sich lange Jahre keine jungen Ärzte hier niederlassen durften. "Fertig Studierte sollten wir jetzt direkt von der Uni abholen", schlug die Ärztin Dr. Jarmila Mahlmeister vor, die in Schondra zusammen mit ihrer Kollegin Dr. Anita Conze eine Gemeinschaftspraxis betreibt.

"Die Ärzte darben hier nicht", meinte die Zweite Bürgermeisterin Adelheid Zimmermann (FB/FDP). Dennoch thematisierte sie gezielt die gerechte Kassenabrechnung und stach damit ins Wespennest der kassenärztlichen Vereinigung, von der jedoch keine Vertreter in diesem Arbeitskreis anwesend waren. Zu neuen Denkansätzen in Sachen Honorargefälle bei den Ärzten ermunterte Riedenbergs Bürgermeister Robert Römmelt (SPD). "Haus- und Fachärzte sollen eine wirtschaftliche Grundversorgung erhalten", forderte er.

Bereit zur Zusammenarbeit

"Nicht nur der Verdienst, sondern auch die Lebensqualität zählt für junge Ärzte", sprach Jarmila Mahlmeister von einer wünschenswerten "Life-Balance". "Es geht nicht nur ums Geld", schloss sich Jürgen Metz vom Landratsamt Bad Kissingen (Kreisentwicklung, ÖPNV, Wirtschaftsförderung) an. Bürgermeisterin Brigitte Meyerdierks (CSU) wies auf die "attraktive Infrastruktur der Stadt Bad Brückenau" mit Kurmittelhaus und erfolgreich angesiedelter Orthopädie hin. Auch die Busanbindung zum Kurstift habe Vorbildfunktion.

"Unsere Stadt soll eingebunden werden, wenn junge Ärzte kommen", forderte Meyerdierks engagiert und signalisierte auch ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Medizinern. Über ein effektives Ärztenetzwerk statt der bisher nur lockeren Zusammenarbeit dachte der Mediziner Streit nach. "Eine gemeinsame Anlaufstelle für uns Ärzte wäre gut", schlug er vor.

Im Gegensatz zu den früheren Arbeitskreisen waren jetzt Fachleute eingeladen. Deshalb überlegten Meyerdierks und Arbeitskreis-Koordinatorin Dr. Sabine Müller-Herbers vom beauftragten Planungsbüro "Baader Konzept" zu Beginn, ob diese spezielle Zusammenkunft überhaupt den Charakter einer öffentlichen oder nichtöffentlichen Sitzung haben soll. Dass schließlich doch die Presse zugelassen wurde, habe sich im Nachhinein als positiv erwiesen, so die Rückmeldung der Gesprächsteilnehmer.