Corona nagt an der Seele
Autor: Charlotte Wittnebel-Schmitz
LKR Bad Kissingen, Montag, 30. März 2020
Das Virus und seine Folgen für unseren Alltag und die Gesellschaft bleibt beständiges Gesprächsthema. Was macht Corona mit unserer Psyche?
Ruth Belzner ist überzeugt: "Corona wirkt wie eine Art ,Brandbeschleuniger‘." Die Psychologin und Leiterin der Telefonseelsorge Würzburg glaubt, dass Menschen, die von Grund auf ängstlich und labil sind, besonders stark seelisch auf die Krise reagieren. Mit Psychologie lässt sich auch erklären, warum die Deutschen wie verrückt Klopapier hamstern.
Seit Ministerpräsident Markus Söder am 20. März die Ausgangsbeschränkungen bekannt gab, verzeichnet die Telefonseelsorge mehr Anrufe. "Vor dem 20. März gingen durchschnittlich 32 Anrufe pro Tag ein. Seit der Bekanntgabe sind es im Schnitt 38 pro Tag", sagt Belzner. Dass die Steigerung nicht noch deutlicher sei, läge an Kapazitätsgrenzen der Hotline.
Dauerhafte Ängstlichkeit
"Auch wenn es ein bisher recht kurzer Vergleichszeitraum ist: Es scheint, als steigt die Zahl derjenigen, die zum ersten Mal anrufen." Corona bilde oft ein "Hintergrundrauschen" für Ängste und Ärgernisse aller Art. "Es wird aber von unseren Mitarbeitern nicht als das eigentliche Gesprächsthema wahrgenommen."
Die Bad Kissinger Psychologin Dr. Lena Kornyeyeva sagt: "Eine gewisse Unsicherheit als eine emotionale Reaktion auf eine Bedrohung ist erst mal normal. Wenn die Ängstlichkeit aber zu einem andauernden Zustand wird, dann ist es eine Art Regression."
Mit dem Begriff ist ein psychischer Abwehrmechanismus gemeint, der der Angstbewältigung dient. "Mit der Regression geht oft ein Wunsch nach einer starken Hand einher. Man wünscht sich und den anderen eine Art Eltern-Figur in der Politik, die ,alles in Ordnung‘ bringt und die ,Unordentlichen‘ bestraft", erklärt die Psychologin.
Könnte dieser psychologische Erklärungsansatz begründen, warum der bayerische Ministerpräsident Markus Söder laut dem Meinungsforschungsinstitut Insa in der Bevölkerung immer beliebter wird? Schließlich war es Söder, der eine Ausgangsbeschränkung in Bayern zum Schutz vor Corona einführte. In anderen Bundesländern gab es zu der Zeit weniger starke Eingriffe in Freiheitsrechte.
Auch für weitere Verhaltensweisen, die wir derzeit bei uns und unseren Mitmenschen beobachten, hat die Psychologin eine Erklärung: "Hamsterkäufe sind in jeder Krise erwartbar. Ernährung ist ein Grundbedürfnis. Wenn die Versorgung in Frage steht, wird gehamstert."