Christoph und die Soldanetten
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Sonntag, 14. Oktober 2018
Es hätte etwas werden können, doch der Konzertabend war ernüchternd. Vor allem die technischen Erwartungen wurden nicht ganz erfüllt.
Wenn man es recht bedenkt, ist man in Bad Kissingen eigentlich ziemlich verwöhnt: Nach dem Kissinger Sommer und Gerd Schaller mit einem Ensemble des Leipziger Gewandhausorchesters war gerade der Kissinger KlavierOlymp mit sechs hochmotivierten, hochbegabten, selbstkritischen jungen Leuten zu Ende gegangen. Und es hätte so weitergehen können mit einem Konzert der Stuttgarter Kammersolisten um den Pianisten Christoph Soldan und den Geiger Daniel Rehfeldt. Zumal das Programm mit Werken von Schubert, Tschaikowsky, Mozart und Robert Schumanns Klavierquintett Es-dur op. 44 als zentralem Schwergewicht. Zumal dem Ensemble, das gerade auf Tournee ist, ein Ruf wie Donnerhall vorauseilte.
Aber hätte, könnte, sollte... Der Abend geriet eher zur Ernüchterung als zur Erbauung. Dabei fiel es noch am wenigsten ins Gewicht, dass die Musiker das Programm radikal umgestellt, aber eine Ansage nicht für nötig gehalten hatten. Klar, ein Schumann klingt anders als ein Tschaikowsky, und wenn ein Flügel zu hören ist, kann's kein Streichquartett sein. Aber eine Frage der Höflichkeit und Achtsamkeit wär's schon gewesen.
Die eigentliche Ernüchterung lag im Musikalischen, und zwar im Konzeptionellen vor allem bei Christoph Soldan, der schon gleich zu Beginn bei Schumanns Quintett eine derartige Druck- und Drohkulisse aufbaute, dass Gestaltungskonzeption nur phasenweise zu erkennen waren und die Klangbalance aus den Fugen geriet. Er donnerte sich sogar an Stellen nach vorne, in denen die Melodie bei den Streichern liegt und das Klavier nur begleitet. Immerhin konnte man sie spielen sehen. Die Tempi waren oft nicht zu verstehen wie im Scherzo. Da raste Soldan die Achtelskalen extrem laut hinauf wie ein gedopter Affe auf die Palme. Nur hingen oben nicht Kokosnüsse, sondern Pointen, auf die man agogisch stärker gestaltend zuspielen könnte, wenn man sich nicht die Luft dazu nimmt. Das zweite Trio des Satzes war derart runtergerissen, dass es zum Klangbrei wurde. Und auch die Schlussfuge des Finalsatzes hätte mehr Beatmung verdient. Schließlich ist diese Form eher ein konstruktiver als ein melodischer Genuss.
Der andere Grund der Ernüchterung lag bei Daniel Rehfeldt, dem Primarius. Zum einen, was durchaus ärgerlich war, weil er sich erstaunlich viele Fehlgriffe leistete und sehr oft nachbessern musste - was bei einem Geiger, der sich "intensiv mit Alter Musik beschäftigt hat" dann doch überrascht - und weil seine Lagenwechsel nicht immer saßen. Da geriet er manchmal über die Grenzen der technischen Möglichkeiten hinaus. Und zum anderen, weil er sich abschottete. Das machte vor allem das D-dur-Streichquartett op. 11 von Peter Tschaikowsky deutlich, wo er keine Bindung zu seinen Mitspielern fand, weil er sie freilich auch nicht suchte. Dabei macht doch gerade das den Reiz der Kammermusik aus: das Aufeinander-Zuspielen, der ständige Blickkontakt, das Aufeinander-Eingehen. Aber Rehfeldt schaute nie zu seinen Mitspielern, sondern nur in seine Noten.
Dabei hätten sich ein paar Blicke gelohnt. Denn man muss sagen - und da ist die Überschrift dann doch ungerecht - dass Yuki Mukai (2. Violine), Igor Michalski (Viola) und Hugo Rannou (Violoncello) für die guten Erinnerungen sorgten, dass sie fabelhaft und unbeirrt miteinander musizierten, dass sie in engem Kontakt untereinander wunderbar ausgehorchte Klangfarben schufen wie in Tschaikowskys Andante cantabile oder in Franz Schuberts Quartettsatz c-moll D 703. Das waren auffällige Kontraste zu Rehfeldts nervösem, ziemlich grellem Spiel.
Es passierten aber auch Dinge, die man gegen Ende einer Konzerttournee mit kaum wechselndem Programm nicht erwartet hätte. Bei Mozarts Klavierkonzert C-dur KV 415 in der Urfassung für Klavier und Streichquartett hatte sogar Rehfeldt zu einer lyrischen Darstellung der Themen gefunden. Aber als Soldan dann einstieg, tat er das mit einem völlig anderen, schnelleren Tempo, als hätte er überhaupt nicht zugehört. Natürlich kann man darüber streiten, wie schnell ein Allegro sein soll. Aber das sollte man vor dem Konzert tun (und man sollte auch vorher die Ungenauigkeiten ausmerzen). Und man könnte auch mit weniger Lärm aus dem Flügel Mozarts Charme in dem Rondeau besser zur Geltung bringen. Erstaunlich, dass von diesem Abend eine CD produziert werden soll.
Die Zugabe passte als Schlussstrich. Zwar war Christoph Soldans Anmoderation zum Finale aus Joseph Haydns "Londoner Sonate" Nr. 52 Es-dur durchaus launig, aber man brauchte sie auch. Denn Haydns irreführenden Humor und sein Spiel mit den Erwartungen der Zuhörer hätte man aus diesem Kraftakt nicht unbedingt herausgehört. Was aber irritierte, war die Zugabe an sich: Sollte sich während einer Tournee nicht ein Stück finden, das alle gemeinsam spielen können. So saßen die vier Streicher wie bestellt und nicht abgeholt im Parkett und schlichen sich am Ende in die Garderobe.