Chance im Web mit Risiken verbunden
Autor: Redaktion
Bad Kissingen, Mittwoch, 12. Oktober 2016
Der lokale Einzelhandel spürt den Druck der Konkurrenz aus dem Internet. Aber einfach auf den Online-Handel umzustellen, ist meistens auch nicht die Lösung.
Landkreis"Schrei vor Glück! Oder schick's zurück." Mit diesem Slogan wirbt einer der größten Online-Händler der Schuh- und Bekleidungsbranche. Vor Glück schreien möchten die meisten Einzelhändler nicht, wenn es um die Konkurrenz durch die Online-Riesen geht. Mehr als ein Glücksgefühl verbinden diese mit der Konkurrenz aus dem Internet zurückgehende Umsatzzahlen und leer stehende Ladenflächen.
"Der Online-Handel ist
für den rein stationären Einzelhandel ein Mitspieler, der merkbar Umsatz abzieht", erzählt Volker Wedde, der Bezirksgeschäftsführer vom Handelsverband Bayern. Nicht selten entsteht der Eindruck, dass sich Online-Händler wie Amazon oder Zalando längst den Löwenanteil am Markt gesichert haben - insbesondere bei Textil- und Elektronikartikeln. Ganz so schlecht steht es für die stationären Händler allerdings nicht.
Bekleidung und Elektronik sind zwar die am stärksten betroffenen Branchen, aber auch dort haben die Online-Größen zusammen "nur" einen Anteil zwischen 20 und 22 Prozent, berichtet Wedde weiter.
Präsenz zeigen
Wichtig sei es, sich nicht von den Entwicklungen überholen zu lassen. "Wir raten immer, sich der Entwicklung anzuschließen." Dies klinge einfacher, als es ist.
Zunächst müsse der Händler sich über seine Bedürfnisse im Klaren sein. Nicht jedes Geschäft benötige einen eigenen Online-Handel, der dann wieder mit den Branchengrößen konkurrieren würde. "Präsenz ist extrem wichtig", unterstreicht Wedde.Nach seinen Zahlen sind 80 Prozent der Geschäfte online auffindbar, allerdings sei die jeweilige Webpräsenz nicht immer ganz auf dem Stand der Zeit. Über den Aufwand müssten sich die Händler, den ein Online-Shop mit sich bringt, ebenfalls klar sein. Im Multi-Channel-Marketing, wie der Handel über mehrere parallele Vertriebswege genannt wird, sind online und offline eigene, voneinander getrennte Geschäftsbereiche. Das bedeutet extra Logistik und meist extra Personal. "Ein Online-Vertrieb ist keine Nebenbeibeschäftigung", fasst Wedde zusammen.
Wenig Zeit für Online
übrig
Als "eher unterdurchschnittlich" schätzt Ralf Ludewig, Bezirksvorstand des Handelsverbands Bayern und selbst Einzelhändler in Bad Kissingen, die Entwicklung im Landkreis ein. Eine eigene Website ist bei den lokalen Geschäften noch nicht der Standard, und ein Online-Shop die absolute Ausnahme. Das eigene Wäschehaus von Ludewig betreibt einen eBay-Shop, den er, wie er gesteht, auch nicht immer auf dem neusten Stand halten kann - es ist neben dem
Ladengeschäft einfach nicht immer die Zeit dafür übrig.Sein Kollege Gerhard Fläschner aus Bad Brückenau hatte sich an einen Online-Shop auf der eigenen Website herangewagt: "Wir haben es testweise probiert, aber die Resonanz war genau null." Die Kundschaft des Brückenauer Bekleidungsgeschäfts sei weniger daran interessiert, online einzukaufen, sondern möchte sich auf seiner Website über das Angebot informieren. Diesen Bereich betreut Fläschner auch weiterhin sehr aktiv: Neben der Website betreibt er eine Facebook-Seite, die er aktuell hält, und er hat zu Versuchzwecken eine Whatsapp- Gruppe, mit speziellen Angeboten für Stammkunden, ins Leben gerufen. Die Möglichkeit, Waren über eBay oder Amazon zu vertreiben, hatte er auch ins Auge gefasst, allerdings wieder verworfen. "Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Einzigen, die davon profitieren, eBay und Amazon sind".
Auch das Modezentrum Mützel ist sehr aktiv dabei, online Präsenz auf Facebook zeigen. An der eigenen Website arbeite man noch und hofft, in wenigen Wochen starten zu können, erzählt Klaus-Dieter Mützel. Wie tief er in den E-Commerce einsteigen möchte, steht noch nicht fest: "Es gibt auch Überlegungen, ins Multi-Channel-Marketing einzusteigen, sprich Waren über einen Online-Shop zu verkaufen. Das ist allerdings ein Schritt, der gründlich überlegt sein möchte."
Nicht nur das technische Wissen bereitet Unternehmern Schwierigkeiten beim Einstieg ins Online-Geschäft, sondern auch das nötige Rechtswissen muss sich angeeignet werden.
Das Wissen verbreiten
"Veränderung ist ein Prozess, der manche abhängt.
Aber an diesem Punkt klinken wir uns ein", sagt Daniel Aller, Berater Informations- und Kommunikationstechnik (IHK Würzburg). Deshalb veranstalten IHK, Handelsverband sowie private Anbieter, wie das Rhön-Saale Gründer- und Innovationszentrum Bad Kissingen, viele Beratungsangebote und Infoveranstaltungen. Da insbesondere die juristischen Belange am Anfang häufig zu Problemen führen, gibt es vom Handelsverband eine rechtliche Beratung durch Juristen.
"Beim Handelsverband bieten wir verschiedene Seminare an, die einen in die Welt des Online-Handels einführen", erklärt dazu Volker Wedde. Die IHK hat noch das Angebot für einen "Website-Check", bei dem das Design und die juristische Korrektheit zukünftiger Online-Auftritte geprüft werden kann. Die Info- und Beratungsangebote von Handelskammer und Handelsverband erfreuen sich bei den Unternehmern im Landkreis großer Beliebtheit. Bleibt zu hoffen, dass dem Zuwachs an Know-how in Zukunft auch ein Zuwachs beim Online-Angebot folgt. Sebastian Elsässer