Chance für die Gegenwart
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Mittwoch, 19. Dezember 2012
Es ist erstaunlich: Da hat sich über 30 Jahre niemand für ein ziemlich großes, aber leer stehendes Sanatorium im toten Winkel der Menzelstraße interessiert, das nach Aussagen der Fachleute innerhalb der nächsten Jahre stückweise einstürzen wird, das man nur noch mit schwerem Atemschutz und einem stabilen Helm betreten kann.
Aber dann tut sich plötzlich die Chance auf, dass durch den kontrollierten Abriss des Gebäudes etwas Neues geschaffen werden kann. Und sofort melden sich im Bauausschuss Stimmen, die für den Erhalt der "Ruine in spe" plädieren: vielleicht nur ein Teilabriss, eine Entkernung oder wenigstens Erhalt der Fassade.
Abgesehen davon, dass das schon aus statischen Gründen völlig unwirtschaftlich wäre: Wenn es schon soweit ist, dass ein denkmalgeschütztes Gebäude abgerissen werden kann, dann sollte man es auch tun. Denn auch die Architektur des 21. Jahrhunderts braucht Flächen und Möglichkeiten, ihre Handschrift im Stadtbild zu hinterlassen. Und dazu gibt es immer weniger Möglichkeiten und freie Flächen in der Stadt.
Zum anderen: Die Befürchtung, dass da etwas entstehen könnte, was nicht in das Bild der Menzelstraße passt, ist unbegründet.
Und schließlich: Denkmalschutz will Zeitzeugen erhalten und nicht Schönheit bewahren. Denn mal ehrlich: Ist das Apolant wirklich in schönes Gebäude? Wer es genauer betrachtet, dessen Blick wird nach der Hälfte der langen Frontseite abschweifen, weil sich die Gestaltungselemente ständig wiederholen. Das ist keine Fassade, die Spannung oder Neugier erzeugen kann.
Die meisten Kissinger haben das Apolant 30 Jahre nicht vermisst, und sie werden es auch nach einem Abriss nicht vermissen. Aber sie können sich freuen, dass, sollte an dieser Stelle wirklich ein Hotel entstehen, wieder Leben in dem toten Winkel einzieht.