Campen boomt: Gaskocher statt Luxus-Fernreise
Autor: Kerstin Väth
Bad Kissingen, Montag, 20. Juli 2020
Mit vielen Menschen dicht gedrängt in einem Flugzeug oder Bus sitzen scheint in dieser Zeit nicht sehr reizvoll. Und doch wollen die meisten einmal raus - jetzt werden viele zu Campern.
Dreimal soviel Reservierungen wie in den beiden Jahren zuvor verzeichnet Sandra Riesen vom Knaus Campingpark in Bad Kissingen. Das liege einerseits daran, dass die Kurgäste langsam wieder eintrudeln und ihre Familien sie oft begleiten oder besuchen. Aber es gebe auch unheimlich viele Neucamper, bestätigt Riesen. Das sehe man nicht nur an den vielen neuen Wohnmobilen und neuen Zelten, sondern höre man auch aus Sätzen wie "ich kann damit noch nicht rückwärts einparken" oder "ich hab' das Zelt noch nie aufgebaut".
Die meisten Gäste kommen von Freitag bis Sonntag. "Viele wollen einfach raus", so Sandra Riesen. Und für sie sei das momentan die sicherste Art, Urlaub zu machen. Wer nicht will, müsse mit einem Wohnmobil inklusive Duschecke nicht einmal die Waschhäuser benutzen. Heuer gebe es erstmals auch viele Reservierungen mit Kindern, weshalb derzeit der Spielplatz des Parks vergrößert wird.
Warteliste für Dauercamper
Bis 30. Mai waren die Campingplätze bayernweit komplett geschlossen. Jetzt sind sie wieder geöffnet und "es läuft ganz gut", sagt Sandra Riesen von Knaus Campingpark zufrieden, die den Platz vor zwei Jahren übernommen hat. Insgesamt verfügen sie in Bad Kissingen über 147 Stellplätze. Auf sechs davon stehen sogenannte Mobilheime, die bis 26. August ausgebucht sind. 17 sind mit Dauercampern belegt. Bei den übrigen 79 Touristen-Plätzen für Wohnmobile und Wohnwagen sowie 45 Zeltplätzen gibt es jederzeit noch freie Plätze.
Einer dieser Dauercamper ist Gerhard Krämer. Der Münnerstädter geht seit seinem 18. Lebensjahr campen, "damals natürlich noch mit Zelt". Heute hat er einen Wohnwagen mit großem Vorzelt dauerhaft in Bad Kissingen stehen, ist mal zuhause, mal hier und verreist immer wieder spontan mit dem Wohnmobil. "Es ist einfach freier, ungezwungener, ich muss mich nicht schick anziehen und auch beim Essen nach keinen festen Zeiten richten", zählt er die Vorteile auf. Während er als Geschäftsmann früher abends immer weg wollte, genießt er jetzt die Vorteile von Bad Kissingen. Er sei viel unterwegs, unternimmt Radtouren, geht Wassertreten, genießt das Kulturprogramm oder beobachtet im Luitpoldpark die Kurgruppen. "Nichts ist weit weg, und wenn man mal Shoppen oder Kaffee trinken gehen will, ist man schnell in der Stadt", ergänzt seine Frau Hiltrun. Außerdem: "Dauercamping ist wie ein kleines Dorf mit Grüppchen, wie zuhause, aber mit den gleichen Interessen." Deswegen ist es vermutlich auch so beliebt. Im Knaus Campingpark gibt es für die Plätze jedenfalls eine Warteliste.
Während lange Zeit Wohnwagen im Trend lagen, kaufen heute die meisten gleich ein Wohnmobil, aber "die Gebrauchten sind im Moment sehr teuer", wissen Krämer und Riesen. Deshalb hat sich Alfred Mantel aus Schonungen auch für einen Neuen entschieden. Den könnten dann auch seine drei Mädchen und ihre Familien nutzen. "Wir wollten uns sowieso ein Wohnmobil kaufen, wenn auch eigentlich nicht so schnell", erzählt er. Aber er gehe nächstes Jahr in Rente und seine Frau in eineinhalb Jahren. Da sei es nicht schlecht, schon mal auf kurzen Strecken die Handhabung zu üben und ein wenig zu schnuppern. Probehalber hatten sie sich schon einmal ein Wohnmobil ausgeliehen. Das Mittelklasse-Wohnmobil, das sie jetzt gekauft haben, stand auf dem Hof und habe ihnen gefallen. Eine Neubestellung hätten sie heuer nicht mehr bekommen. "Wir sind zehn Jahre den Jakobsweg gelaufen, dabei haben wir das Abenteuerfeeling entdeckt", sagt er. In Rente wollen sie noch einmal auf den Jakobsweg.
Volle Wochenenden in der Rhön
Am Campingplatz Kreuzberg Rhön in Wildflecken ist derzeit mehr los als sonst, bestätigt der Eigentümer und Betreiber Ralf Köhler auf Nachfrage. "Am Wochenende sind jetzt mehr Gäste da", berichtet er. Zum einen seien es gerade Rentner, die derzeit nicht wie gewohnt ein Vierteljahr im Ausland verbringen können. Zum anderen kommen jetzt aber auch vermehrt viele junge Leute mit Zelten. Das sei kostengünstig, kurzfristig möglich und das Zelt später daheim wieder leicht zu verstauen.
Unter der Woche hat Köhler noch Kapazitäten frei, doch am Wochenende werde es derzeit eng. Der Durchschnittsgast bleibe 2,7 Tage, erzählt Köhler. Er hat 45 bis 50 Stellplätze für Wohnmobile, Wohnwagen und Zelte. Darüber hinaus gibt es 110 Dauercamper. Die sind sonst im Sommer mit ihren Campern unterwegs in Italien, Kroatien oder Norwegen. "Doch jetzt nutzen sie ihren Platz und bleiben ganz hier", so der Campingplatzbetreiber.