Buchhandlung muss weichen
Autor: Carmen Schmitt
Bad Kissingen, Sonntag, 06. Dezember 2015
Der Buchladen von Barbara Weyh auf der Ludwigsbrücke fällt dem Umbau des Rosengartens zum Opfer. Sie muss nach 43 Jahren ausziehen. Von ihrem Vermieter - die Staatsbad GmbH - ist sie enttäuscht.
Das Schreiben kam kurz vor dem größten Fest der Stadt. Es waren nur wenige Zeilen, aber die musste Barbara Weyh dreimal lesen. Die Frist, von der in dem Brief die Rede ist, ist inzwischen fast abgelaufen. In zwei Monaten muss Barbara Weyh raus. Raus aus ihrem Buchladen auf der Ludwigsbrücke. In ein paar Wochen wird sie die Tür zum letzten Mal zusperren - nach 43 Jahren. Die "Art und Weise" hätte sie sich von ihrem Vermieter - die Staatsbad GmbH - anders gewünscht. "Man sollte die Erwartungshaltung an sein Gegenüber wohl nicht so hoch ansetzten."
Das Büchergeschäft Weyh ist älter als sie selbst. Vor 65 Jahren hat ihr Vater sich selbstständig gemacht. In der Weidgasse eröffnete er damals seinen Laden. Barbara Weyh ist in das Geschäft hineingewachsen. Für sie war klar, dass sie den Betrieb einmal übernehmen wird. 1973 zog die Familie mit ihrem Bücherladen in das Gebäude auf der Ludwigsbrücke. "Für viele ist der Laden zur Institution geworden", sagt ihr Lebenspartner Parviz Gilanschah.
Vom Klatsch-Magazin, über Ansichtskarten, bis zum antiquierten Wälzer: die Nachfrage ihrer Kundschaft ist so vielfältig wie die Stammkundschaft selbst. Und die kommt nicht nur wegen der Bücher und Zeitschriften. Denjenigen, die besonders schlecht zu Fuß sind, habe sie mehrmals in der Woche die Zeitung nach Hause gebracht. In den vergangenen Jahrzehnten hat die 62-Jährige so viele Gespräche mit so vielen Leuten geführt: "Das hat ein Psychologiestudium ersetzt", sagt sie und lacht. Es ist ein mildes Lachen. Die Geschäftsfrau hat sich mittlerweile damit abgefunden, dass sie ihren Laden aufgeben wird. "Es ist ein Teil meines Lebens, aber nicht mein Lebensende."
"Ein Stück Kulturverlust"
Viele ihrer Stammkunden hat sie während der vergangenen Wochen über die Schließung informiert. "Sie waren entsetzt." Nach dem "Warum" haben sie gefragt. Eine Antwort hatte Barbara Weyh nicht. Günther Giese aus Menden im Sauerland war so verdutzt und ärgerlich, dass er der Kurverwaltung, der Stadt und der Saale-Zeitung einen Brief schrieb. Er fürchtet "ein Stück Kulturverlust" für die Stadt und "eine kaum zu verschmerzende Lücke". Aber warum muss Barbara Weyh raus?
Was wird aus dem Gebäude?
Staatsbad und Stadt wollen umbauen. Rund um den Rosengarten soll renoviert und der Springbrunnen teuer aufgehübscht werden. In einem Aufwasch soll dann auch der bisherige Bücherladen hergerichtet werden - etwas, das in den vergangenen Jahren keine Priorität hatte. Was später mal aus dem schmucken Gebäude werden soll, ist laut Kurverwaltung noch offen. Stadt und Staatsbad wollen das gemeinsam entscheiden. "Es liegen verschiedene Konzepte und Ideen zur Weiternutzung vor", schreibt die Kurverwaltung auf Anfrage. Die Stadt hatte dem nichts hinzuzufügen.Vor einigen Monaten saßen sich Kurverwaltung und Mieter gegenüber. Parviz Gilanschah sah sich mit Gerüchten konfrontiert, erzählt er. "Wir haben gehört, Ihre Frau will das Geschäft aufgeben?", sei er gefragt worden. Zu dem Hintergrund des Gesprächs wollte sich die Kurverwaltung nicht äußern. Für Parviz Gilanschah war nach der Unterhaltung "die Sache erledigt". Er sah sich "im Recht". Die Kündigung kam "ohne Vorwarnung". Sie ließen das Schreiben prüfen - "rechtlich einwandfrei".
Wie geht es für Barbara Weyh weiter, wenn sie Mitte Februar das alte Gebäude auf der Ludwigsbrücke besenrein übergeben hat? Irgendwo anders noch einmal neu anfangen? Die Kurverwaltung sicherte zu: "Selbstverständlich sind wir noch immer für die zukünftigen Planungen von Frau Weyh offen." Die 62-Jährige schüttelt den Kopf. Sie will zusehen, dass sie bis Ende Januar noch so viel wie möglich ihres Bestandes verkaufen kann. "Nein, geschäftlich werde ich nicht mehr tätig. In Bad Kissingen ist das zur Zeit ohnehin nicht besonders verlockend."