Druckartikel: Brillen, Loks, und Radiowimpel

Brillen, Loks, und Radiowimpel


Autor: Werner Vogel

Bad Kissingen, Montag, 14. April 2014

"Stille Leidenschaften" offenbaren Sammler und zeigen ihre Schätze in der Heimatstube Reiterswiesen.
Eine kleine Auswahl seiner 3400 Wimpel von Radiosendern zeigt Andreas Schmid aus Euerdorf. Fotos: Werner Vogel


von unserem Mitarbeiter Werner Vogel

Reiterswiesen — Dorothea Immler sammelt Brillen: "Erst aus Notwendigkeit, dann war's Eitelkeit, später aus Liebe und heute aus Nostalgie", bekennt sie freimütig. Bei der Ausstellung "Stille Leidenschaften" im Museum Heimatstube in Reiterswiesen waren fünfzig ihrer Exemplare zu bewundern. Sie spiegeln nicht nur Modetrends wieder, sondern verraten auch einiges von der Persönlichkeit der Trägerin.

Denn die Sonderschau zum 30-jährigen Jubiläum des Botenlaubenvereins zielt nicht auf Underdogs der Antiquitätenszene und will auch keine seriösen Kunstsammler ansprechen. Sie bezieht ihren Charme von den persönlichen Geschichten, die die Sammler aufgeschrieben haben, meint die Leiterin der Ausstellung.

Fächer müssen "laufen"

Seit die erste Lok unterm Christbaum stand, ist Fritz Lang ein Fan der Trix Eisenbahn. Damals war er sieben. Seine Leidenschaft wurde immer wieder neu entfacht, als seine drei Söhne ins "eisenbahnfähige Alter" -wie er lächelnd meint - hineinwuchsen. Inzwischen sind es 60 Loks und 210 Wagen, die auf 1,8 km Gleisen fahren können. In einer Vitrine waren am Wochenende die wertvollsten Stücke zu bewundern.
Agnes Brath bekennt ihre Leidenschaft zu kunstvollen Fächern. Die besten kommen aus Spanien: "Sie müssen, in einer Hand gehalten, laufen", wie das elegante Öffnen und Schließen heißt, "wie könnte man sonst in der anderen sein Sektglas graziös halten", meint sie lächelnd. Zur Hochzeit komplettierte ein weißer Spitzenfächer ihr Brautkleid, und die roten Lieblingspumps kommen erst so richtig zur Geltung mit dem filigranen modischen Accessoire aus Madrid im gleichen Farbton.
Ulrike Mitter spricht von einem Fieber, das immer wieder aufflammt, wenn man infiziert ist. Jeder ist bestrebt, seine Sammlungen auszubauen, die Jagd nach weiteren Stücken hört nie auf, das zieht sich wie ein roter Faden durchs Leben, meint sie. Ihre Leidenschaft erfährt gerade in den vorösterlichen Tagen eine Blütezeit: Sie sammelt Eierbecher und hat sie kunstvoll in der Nachkriegsküche des Museums drapiert. 150 ihrer über 500 kleinen Schmuckstücke aus Porzellan hat sie mitgebracht. "Zuhause in der Küche stehen weitere 150, der Rest macht vorübergehend Urlaub im Karton."
Weit über 100 Elefanten sind ebenfalls zu bewundern. Elisabeth Wagner hat mit dem Sammeln angefangen, als ihr Enkel zwei im Werkunterricht der Schule angefertigte Dickhäuter nach Hause brachte, und Barbara Alberts Leidenschaft für die Schwergewichte aus Onyx, Elfenbein und Glas hat mit der Kinderkassette vom sprechenden Elefant "Benjamin Blümchen" angefangen.
Michael Endes Roman "Momo" von den grauen Herren und der Schildkröte Kassiopeia, hat bei Alexandra Eisenmann das Interesse für die gepanzerten Tiere aus der Urzeit ausgelöst. Deren Gelassenheit brauche die junge Mutter von zwei Kindern auch im täglichen Leben, wie sie freimütig bekennt.
Auf einer alten Truhe sind dutzende glänzende Pokale aufgebaut, die Christian und Leo Renninger in ihrer jungen Fußballerkarriere schon gewonnen haben, und aus einer Proseccolaune in Italien heraus hat Maria Lang ihre Sammlung von Espressotassen begonnen. Vor einer Sammlung alter Kinderbücher von Brigitte Lutz steht ein Stuhl, damit man sich hinsetzen und darin blättern kann, daneben sind in den Fensternischen Bierkrüge mit Königsportraits der Wittelsbacher dekoriert.
Eine weitere Vitrine des Museums wird statt mit Fundstücken von der Burg, nun mit Kerzen und Wachsstöckchen aus Wallfahrtsorten genutzt. Magda Laudenbach verrät dazu, dass die Wachsschnüre früher ein wenig abgerollt und angezündet auf die Kirchenbank gestellt wurden, um in den dämmerigen Kapellen und kleinen Gotteshäusern im Gesangbuch lesen zu können. Glaskugeln aus Murano oder Zwiesel und Eulen als Symbol der Weisheit in aller Welt gesammelt, bevölkern ein anderes Regal. In der Trachtenkammer verströmen Duftflacons aus den Haut Couture Metropolen betörenden Duft, und in einer Vitrine sind wertvolle Briefmarken ausgestellt.

Wimpel aus aller Welt

Andreas Schmid aus Euerdorf ist stolz, die wohl umfangreichste Sammlung von Radiosenderwimpeln weltweit zu besitzen. 3400 verschiedenste Exemplare von Radiostationen hat er zusammengetragen und ein kleines privates Museum damit eingerichtet. Alle sind geordnet und katalogisiert. Nur wenige hat er nach Reiterswiesen mitbringen können, aber sie führen die Besucher in alle Welt.
Allen Sammlern ist bewusst, dass sie mit ihrer Leidenschaft kein solides Erbe für die Enkel aufbauen. Die Jagd nach Souvenirs verzehrt zwar manche Ersparnisse, die stillen Leidenschaften machen aber Freude und bereichern das Leben, meinen sie.
Die Sonderausstellung ist am Ostersonntag nach dem Gottesdienst beim Ostertanz nochmals geöffnet.