Bohrgerät schwebt über den Dächern Bad Kissingens
Autor: Ralf Ruppert
Bad Kissingen, Mittwoch, 10. Juli 2019
Über Dächer hinweg wurde am Mittwoch schweres Gerät vom Marktplatz in einen Hinterhof gehoben.
Viele Passanten blieben gestern auf dem Bad Kissinger Marktplatz stehen, deuteten in den Himmel und fragten sich, was da vor sich geht: "Wir haben eine trickreiche Pegelbohrung für das Projekt Neue Altstadt", klärt Quartiersmanagerin Angelika Despang über die Hintergründe auf: Rund 40 Mess-Stellen zur Kontrolle des Grundwasser-Spiegels gibt es bereits in der Altstadt. Neun weitere kommen in diesen Tagen dazu - und als einen Standort haben Julian Hergenröther und Julian Klöffel vom Tiefbauamt der Stadt einen Hinterhof zwischen Grabengasse und Marktplatz ausgewählt.
Einweisung per Funk
Spannend war die Aktion auch für Werner Gutt, Inhaber der Firma Boden- und Grundwasser-Probenahmetechnik (BGP): "Eine solche Aktion, bei der der Kran-Fahrer gar nichts sieht, haben wir noch nie gemacht." Per Funk dirigierte er Martin Zeidler im Führerhaus des Krans. 1,3 Tonnen zeigte dessen Waage an, als das Bohrgerät schwebte. Der Kran kann bis zu acht Tonnen heben, bei einem Einsatzgewicht von 48 Tonnen.
Bis zu 30 Meter hoch kann Martin Zeidler mit seinem so genannten "Taxi-Kran", der fest auf einem Lkw montiert ist, heben. Die musste er für die Gebäude in der Altstadt nicht ganz ausreizen, aber bei der Ausladung ging er fast bis an die Grenze von 45 Metern: "Ich musste bis auf 37 Meter ausfahren", berichtet er. Erst dann konnte er vom Marktplatz aus das Bohrgerät langsam in den Hinterhof des Gebäudes in der Grabengasse ablassen.
Dabei ging es um wenige Zentimeter: Der Innenhof ist eigentlich überdacht, keine zwei Meter breit war die aufgedeckte Lücke zwischen Hauswand und Dachrinne. Entsprechend erleichtert waren Werner Gutt und seine Kollegen, als sie das Bohrgerät mit Seilen endlich an die richtige Stelle manövriert hatten.
Auch das Bohren selbst war zunächst nervenaufreibend: "Wenn wir auf große Steine Stoßen, kommen wir nicht weiter", berichtet Gutt. Denn das Bohrgerät rammt die Metallrohre mit einem Durchmesser von zehn Zentimetern nur in die Erde, eine Rotation ist nur mit der Hand möglich. Für felsigen Untergrund wäre ein schwereres Gerät nötig, das aber der Kran nicht heben kann. In den obersten 40 Zentimetern lagen tatsächlich noch viele Steine. "Das ist von Menschen aufgefülltes Material", berichtet Geo-Wissenschaftler Daniel Traub. "Wenn irgendwas gebaut wurde, wurde früher der Schutt einfach abgelagert", berichtet er.
Nach 40 Zentimetern ging das Bohren dann erheblich schneller: "Das ist eine Mischung aus Oberboden und Wiesenkalken", erläutert Traub, während er die lockere braune Erde aus dem Bohrgestänge kratzt. Anhand der Kalk- und Kohle-Einlagerungen sei aber ablesbar, dass auch noch bis in mindestens zwei Meter Tiefe der Boden irgendwann umgegraben wurde. "In den Nebengebäuden finden sich Keller, hier wurden früher sicherlich große Baugruben ausgehoben und dann wieder verfüllt", vermutet der Geo-Wissenschaftler.
In 4,20 Meter Tiefe war dann endgültig Schluss: Das Bohrgerät kam an der Talsohle aus verwittertem Buntsandstein an. Viel schneller als geplant setzten die Arbeiter ein Brunnenrohr ein und manövrierten das Bohrgerät gegen 10.30 Uhr bereits wieder aus dem Hinterhof.