Bis bald, mein Kind
Autor: Sigismund von Dobschütz
Bad Kissingen, Sonntag, 28. August 2022
Anne-Marie Greving lässt die Geschichte der Kindertransporte in den Jahren 1938 und 1939 wieder lebendig werden. In ihrem Vortrag beschreibt sie die Geschehnisse anhand von ausgewählten Biografien.
Bedeuteten die Deportationen in den Osten für fast alle Juden den baldigen Tod, waren die Kindertransporte der Jahre 1938 und 1939 für Tausende ihrer Kinder die Fahrt in ein zweites Leben in Freiheit. "Bis bald, mein Kind" hat die promovierte Historikerin Anne-Marie Greving aus Veitshöchheim ihren Vortrag überschrieben, den sie im Rahmen der Jüdischen Kulturtage am Dienstag, 6. September, um 19:30 Uhr im Sitzungssaal des Landratsamtes in Bad Kissingen (Obere Marktstraße) halten wird. Anhand ausgewählter Biografien beschreibt Greving, die sich seit Jahren intensiv mit jüdischen Themen auseinandersetzt, die komplexen Vorgänge um die Kindertransporte der Jahre 1938 und 1939. Der Eintritt zur Vortragsveranstaltung kostet 5 Euro.
"Am 9. November 1938 endete meine Kindheit, und die Welt brach auseinander." So beginnt John Najmann den Bericht über seine Rettung durch einen Kindertransport nach London im Dezember 1938. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit wurde spätestens in der Pogromnacht endgültig klar, wie sehr Juden in Deutschland und Österreich in ihrer Existenz und ihrem Leben bedroht waren. Das Novemberpogrom war aber auch der Ausgangspunkt für eine einzigartige Rettungsaktion - die organisierten "Kindertransporte". Zwischen Ende November 1938 und dem 1. September 1939 wurden über 10.000 Kinder, die als "jüdisch" im Sinne der Nürnberger Gesetze galten, in Zügen und Schiffen aus dem Deutschen Reich und aus den vom Nazi-Regime bedrohten Ländern in Sicherheit gebracht. Die überwiegende Mehrzahl wurde in Großbritannien aufgenommen, andere kamen in die Niederlande, nach Belgien, Frankreich, Schweden und in die Schweiz.
Nur Kinder im Alter zwischen vier und 16 Jahren bekamen ein für ihre Ausreise notwendiges Visum. Durch Unterstützung von Hilfsorganisationen konnten vor allem Kinder aus Deutschland, Österreich, Polen, der Freien Stadt Danzig und der Tschechoslowakei auf diese Weise gerettet werden. Viele jüdische Eltern sahen die Kindertransporte als einzige Möglichkeit, wenigstens ihren minderjährigen Kindern ein Überleben im Ausland zu sichern. Sie schickten ihre Kleinen allein in eine für sie völlig fremde Welt und wussten doch selbst oder ahnten, dass sie sie wohl nie wieder sehen würden. Nur wenige Kinder konnten nach dem Krieg mit ihren Familien wieder zusammengeführt werden. Die meisten aber blieben die einzigen aus ihren Familien, die den Holocaust überlebten.
Die studierte Historikerin und Pädagogin Anne-Marie Greving unterrichtete von 1978 bis 1989 am Johann-Schöner-Gymnasium in Karlstadt. Nach ihrer Promotion in Geschichte (1989) war sie insgesamt 14 Jahre in Italien tätig: Bis 1995 lehrte sie an der Deutschen Schule in Rom Geschichte und Deutsch und von 1998 bis 2006 baute sie in Bologna eine zweisprachige deutsche Abteilung an einem italienischen Gymnasium auf und schrieb Lehrpläne für den Geschichtsunterricht aus doppelter Perspektive - aus deutscher und italienischer Sicht. Aus Bologna zurückgekehrt, war sie zunächst stellvertretende Schulleiterin am Gymnasium Veitshöchheim, bis sie ab 2010 bis zu ihrer Pensionierung (2016) das Balthasar-Neumann-Gymnasium in Marktheidenfeld leitete.
Veranstaltung: "Bis bald mein Kind", Vortrag über die Kindertransporte 1938/1939; Dienstag, 6. September, 19:30 Uhr, Landratsamt Bad Kissingen (Sitzungssaal), Obere Marktstraße 6; Eintritt: 5 Euro.