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Biosphärenreservat in Gefahr?


Autor: Kathrin Kupka-Hahn

Stralsbach, Montag, 02. Mai 2016

Bürger befürchten, dass mit dem Industriegebiet nicht nur die Natur in Mitleidenschaft gezogen, sondern der Status von der Unesco aberkannt werden könnte.
Am Ortseingangsschild von Stralsbach befindet sich der Hinweis auf das Biosphärenreservat Rhön, wenn auch mit Delle versehen. Der Ort profitiert besonders von Touristen in der Region. Foto: Kathrin Kupka-Hahn


Neues Industriegebiet ja oder nein? Das ist eine der Fragen, die im Markt Burkardroth derzeit ganz intensiv diskutiert werden. Nicht nur in Stralsbach, sondern in allen Ortsteilen.
Etliche Bewohner der Großgemeinde sehen in dem Industriegebiet eine Chance auf neue Arbeitsplätze und können die Ablehnung der Stralsbacher nicht nachvollziehen.

Schließlich würde ja schon bald Siemens in Bad Neustadt dichtmachen, da müsse man um jeden Arbeitsplatz froh sein, der in der Region entsteht, so die Argumentation. Andere wiederum befürchten - ebenso wie die direkt betroffenen Anwohner in Stralsbach - enorme Auswirkungen des Industriegebietes auf Landschaft und Natur. Nicht zuletzt, weil in einem solchen rund um die Uhr gearbeitet werden darf und die Immissionswerte hinsichtlich Lärm, Feinstaub und Geruchsbelästigungen deutlich höher liegen als beispielsweise in einem Gewerbegebiet. Ganz von der Hand zu weisen ist der Gedanke an Natur und Landschaft nicht. Schließlich liegt der Markt Burkardroth, und somit auch die Fläche an der Bundesstraße 286, wo das Industriegebiet entstehen soll, im Biosphärenreservat Rhön.
Zwar ist das kein Naturschutzgebiet, in dem ausschließlich die Natur eine Rolle spielt. Dennoch handelt es sich bei Biosphärenreservaten um Gebiete mit besonderem Status, in denen Mensch und Natur einträchtig zusammenleben, Umweltschutz und Wirtschaft harmonieren und diese somit Lernorte für nachhaltige Entwicklung werden. So zumindest definiert die Deutsche Unesco-Kommission deren Bedeutung.


Die Ziele

Vier Ziele wurden daraus für das Biosphärenreservat Rhön abgeleitet. Als oberstes wurde der Schutz der natürlichen und kulturellen Vielfalt festgelegt. Schließlich gebe es in der Rhön eine vom Menschen geschaffene Kulturlandschaft mit vielen Wiesen und Weiden, in der zahlreiche Tier- und Pflanzenarten leben, darunter viele gefährdete Arten. Die gilt es zu erhalten, ist auf der Homepage www.biosphaerenreservat-rhoen.de nachzulesen.
Als weiteres Ziel wurde eine nachhaltige Entwicklung der Region definiert, ebenso eine damit verbundene naturnahe und angepasste Landnutzung mit naturverträglichen Technologien und umweltschonend erzeugten Produkten. Dass das mit einem neuen Industriegebiet erreicht wird, bezweifeln die Stralsbacher stark. Schließlich fragen sie sich, darf im Biosphärenreservat überhaupt ein Industriegbiet entstehen?
Das Biosphärenreservat Rhön ist in unterschiedliche Zonen unterteilt: in Kern-, Pflege- und Entwicklungszonen, wobei Letztere den größten Anteil haben. In diesen können Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie im Rahmen der gesetzlichen Auflagen betrieben werden. Besondere Förderung erfahren hier die Verarbeitung und Vermarktung regionaler Produkte.
Die Pflegezonen hingegen betragen etwa 20 Prozent der Fläche in Biosphärenreservaten. Diese sollen umsichtig genutzt werden, beispielsweise für ökologisch orientierte Land- und Forstwirtschaft, Landschaftspflege, Umweltbildung oder naturschonenden Tourismus. In den Kernzonen, die mindestens drei Prozent der Fläche ausmachen, soll sich die Natur ohne jegliche Eingriffe des Menschen entwickeln. Er tritt lediglich als Beobachter oder Forscher auf.


Rund 6900 Hektar

Die Fläche des Marktes Burkardroth umfasst rund 6900 Hektar, liegt im Biosphärenreservat Rhön und weist alle drei Zonen auf. Die Kern- und Pflegezonen befinden sich vorwiegend im Gebiet der Schwarzen Berge. "Der fragliche Bereich für das künftige Industriegebiet an der Bundesstraße 286 liegt in der Entwicklungszone. Hier ist natürlich eine gewerbliche Entwicklung möglich", erklärt Regierungsdirektor Michael Geier auf Nachfrage. Er ist der Dienststellenleiter der Bayerischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön. In seiner Antwort erklärt er auch, nicht offiziell, sondern vielmehr aus der Zeitung von den Plänen des Marktes Burkardroth erfahren zu haben, in Stralsbach ein Industriegebiet zu erschließen.
Die Befürchtungen der Anwohner, dass es Auswirkungen auf die Auszeichnung Biosphärenreservat haben könnte, teilt er nicht. "So einfach wird der Status Unesco-Biosphärenreservat nicht aberkannt. Dass eine einzelne Gemeinde, die mittendrin liegt, herausgenommen wird, ist nicht denkbar. Das würde insgesamt den Status in Frage stellen", schreibt er.


Schon im Flächennutzungsplan

Außerdem fügt er hinzu: "Dass der Markt Burkardroth für eine entsprechende Änderung des Flächennutzungsplanes alle bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen beachtet, davon gehe ich selbstverständlich aus." Allerdings ist das Areal im Flächennutzungsplan bereits als Industriegebiet ausgewiesen. Eine Änderung dieses Planes wäre beispielsweise bei der Umwandlung der Fläche in ein Gewerbegebiet erforderlich und setzt einen entsprechenden Gemeinderatsbeschluss voraus.