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Bilanz der Imker: Bienen sind hungrig


Autor: Carmen Schmitt

Bad Kissingen, Dienstag, 16. August 2016

Nach Sommerblütenhonig braucht man Imker heuer gar nicht zu fragen. Was Bienen brauchen sind mehr Blüten. Ob Landwirtschaftsminister Brunner helfen kann?
Rund um den Rahmen müssten die Waben eigentlich randvoll sein, meint Dieter Schölzke, Vorsitzender des Münnerstädter Imkervereins. Schon im Juni musste er viele seiner Bienen füttern, so früh wie noch nie. Foto: Carmen Schmitt


Die Plexiglasscheibe ist nicht mal lauwarm. 30 Grad wären normal. Die Bienen haben keine Kraft. Die Insekten in dem Schaukasten am Bienenlehrstand in Münnerstadt haben Hunger. Die meisten von ihnen werden wohl durchkommen, meint Dieter Schölzke. Diesmal. Bei einigen seiner anderen Völker sah das heuer schon ganz anders aus.

Zuerst dachte er an eine Seuche. War vielleicht ein Pflanzenschutzmittel Schuld? Die Hälfte der 60 000 Tiere: tot.

Gut 15 Zentimeter hoch stapelten sich die leblosen Körper in der Bienenbeute. Es war Anfang Juni. Dieter Schölzke hatte gerade zum ersten Mal geschleudert. Das Frühjahr lief ganz gut. Dann das. "Es ist plötzlich kalt geworden", sagt Dieter Schölzke, Vorsitzender des Münnerstädter Imkervereins. Der Temperaturwechsel als Ursache? Der Imker ist sich nicht sicher. Was er aber genau weiß: Die Bienen finden immer weniger zu fressen. Und mit diesem Eindruck ist er nicht allein.


Mahlzeit: Monokultur

"Die Blühflächen gehen zurück. Das macht uns Sorgen", sagt Karin Schmidt aus Oberleichtersbach, Vorsitzende des Imkervereins Bad Brückenau. Außerdem: Die Monokultur Mais ist nicht gerade ein Leckerbissen für die Insekten. "Das wäre für uns so, als würden wir zwei Wochen lang nur Knäckebrot essen", sagt die Imkerin. Eine "sehr minderwertige" Mahlzeit. Dazu kommt, dass das, was an den Straßenrändern blüht, nach dem Mähen gemulcht wird und den Boden so mit Nährstoffen anreichert, erklärt sie. Gut für das Gras. Aber von Gras wird keine Biene satt. "Unsere Bienen haben gerade so überlebt."

"Die meisten haben die Kurve gekriegt", meint Matthias Kleinhenz. Er ist Bienen-Gesundheitswart und Vorsitzender des Imkervereins Wollbach. Dass Völker regelrecht verhungert seien, habe er nicht beobachtet. Aber: "Das ist regional sehr unterschiedlich." Imker um Münnerstadt und Burglauer habe es extrem erwischt, meint er. So extrem, dass Annette Seehaus-Arnold, Kreisvorsitzende des Imkerverbands Rhön-Grabfeld, den bayerischen Landwirtschaftsminister Helmut Brunner um Hilfe gebeten hat.


Offener Brief an Staatsministerium

"Es verschärft sich immer mehr", sagt die Imkerin. In dem offenen Brief an das Staatsministerium machen sie und ihr Kollege Matthias Rühl aus dem Landkreis Neustadt/Aisch die Agrarpolitik für die Probleme der Imker verantwortlich. Sie warnen vor Pflanzenschutzmitteln, die selbst die kleinsten Kräuter zwischen den Feldfrüchten im Keim ersticken sowie Insektiziden und deren Auswirkung auf die Bienengesundheit; sie fordern Flächen, auf denen es blüht, Förderungen für die Ausbildung und Entschädigungen für Ernteausfälle. "Honig können wir importieren - die Bestäubungsleistung unserer Bienen nicht." Sie halten eine "Bestäubungsprämie" für angebracht, schließlich profitieren die Landwirte mit höheren Erträgen von ihrer Arbeit.

"Wir müssen auf uns aufmerksam machen, sonst gehen wir unter", sagt Dieter Schölzke. Das Hauptproblem für seine Bienen war heuer die Lücke nach der Rapsblüte. Zwölf seiner 25 Völker, die am Münnerstädter Lehrbienenstand leben, hat er im Juni gefüttert. Statt Blütennektar stand Zuckersirup auf dem Speiseplan. Ungewöhnlich für diese Jahreszeit: "Normalerweise fängt man jetzt an." Schölzke imkert seit über 15 Jahren. So früh musste er seinen Bienen noch nie aushelfen.


Jeder kann "bienenfreundlicher" werden

Sommerblütenhonig wird man in diesem Jahr nur vereinzelt finden. Auch vom Waldhonig gibt es heuer weniger als sonst. Zu viel Regen, zu wenig Nektar. "Wir mussten nicht ganz so bald zufüttern, aber die Honigernte war nicht sehr üppig", sagt Karin Schmidt. Dieter Schölzke schleudert normalerweise zweimal, wenn es gut läuft dreimal. Heuer nur einmal. Pro angeschlagenem Volk rechnet er mit Verlusten von 100 Euro. "Man muss abwarten wie es sich entwickelt", sagt Matthias Kleinhenz. "Ein Volk kann sich wieder erholen."

Nicht nur Gemeinden und Landwirte, auch Privatleute könnten "bienenfreundlicher" werden. In Oberleichtersbach blüht - auf private Initiative - eine sogenannte "Bienenweide". Auf der Wiese finden Bienen während der ganzen Saison Blüten. Einmal angesät, gedeihen die Pflanzen bis zu fünf Jahre immer wieder. Karin Schmidt appelliert: "Es wäre schön, wenn alle zusammenhelfen."

Annette Seehaus-Arnold hat in gut drei Wochen einen Termin im Staatsministerium in München. Dort will sie das Bewusstsein schärfen: für die Arbeit der Imker - und der Bienen.