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Berührender Lobgesang


Autor: Werner Vogel

Bad Kissingen, Dienstag, 12. Juli 2016

Den Festgottesdienst zum Kissinger Sommer gestalten die Kantorei, das Mitteldeutsche Kammerorchester in der Herz-Jesu-Kirche mit Haydns Nicolai-Messe.
Stadtkantor Burkhard Ascherl dirigiert die Kantorei und das Mitteldeutsche Kammerorchester in der Herz-Jesu-Kirche. Foto: Werner Vogel


Es ist immer ein besonderer Gottesdienst, wenn die Herz-Jesu-Kirche zum Konzertsaal für den der Kissinger Sommer wird. Ein Festtag auch für Gerd Greier. Der neue Kissinger Stadtpfarrer geht sehr offen auf die Gläubigen zu: "Lassen wir uns berühren, von der Musik, vom Wort, von Gottes Licht", stimmt er Gläubige und Konzertbesucher gleichermaßen ein. Die Besucher in der vollbesetzten Kirche erleben den großen, harmonisch runden Klangkörper der Kissinger Kantorei, die Stadtkantor Burkhard Ascherl nach intensiver Probenarbeit wie gewohnt zu einer Einheit formt, und das Mitteldeutsche Kammerorchester als aufmerksamen Begleiter. Deren besonderes Verhältnis zu Messen und Oratorien, ihre präzise Intonation verspricht harmonisches Zusammenwirken.


Tragfähiges Fundament

Auch wenn sich die Weimarer umgekehrt auf die Gesamtleitung durch Burkard Ascherl vorbehaltlos einlassen - man kennt sich und schätzt sich - , sind doch Tempi zu verabreden, Phrasierungen zu besprechen, Nuancen abzugleichen, aber die Grundauffassung muss nicht erst erarbeitet werden. Dieses tragfähige Fundament lässt Raum für deutliche Artikulation und textsichere Gestaltung, lässt auch die Solisten Brigitte Ascherl (Sopran), Katrin Edelmann (Alt), Gerhard Göbel (Tenor) und Virgil Mischok (Bass) glänzen. Und dann freuen sich die Musikfreunde auf Burkhard Ascherl als glänzenden Organisten, der zum Einzug Bachs C-dur-Präludium weniger vorantreibend interpretiert, sondern dem majestätischen Charakter des Werkes bewusst mehr Raum gibt, ohne an Klarheit einzubüßen.


Heitere Klänge zum Nikolaustag

Die päpstlichen Enzyklika "Annus qui" von 1749 verlangt, Kirchenmusik als Dienerin des Wortes zu verstehen. Joseph Haydn trug den Bestimmungen Rechnung, indem er zwar die Instrumentierung zurücknahm, dem liturgischen Text aber in der "Missa Sancti Nicolai" menschliche Empfindungen zuordnete. Schließlich sollte die Musik auch dem Auftraggeber, Fürst Nikolaus I. Esterházy gefallen, zu dessen Namenstag die "Nicolai-Messe" komponiert wurde.

So ist eine wohlklingend heitere Pastoralmesse entstanden mit schönen, mehrstimmigen Passagen und eingängigen Melodien für die Solisten. Die vorgegebene schmale Besetzung des Orchesters füllte Burkhard Ascherl mit dem Orgelpart auf, den Christine Stumpf, Kantorin der Garitzer St.-Elisabeth-Kirche, zurückhaltend, den Klang hintergründig abrundend gestaltete.

Das Kyrie klang nicht nach bußfertigem " Erbarme dich". Die beinahe volkstümliche Melodie drückte Freude über den Beginn der Liturgie aus. So sah es auch Burkhard Ascherl und ließ dem Chor alle Freiheit, den Jubel raumfüllend schön ausdrücken. Beim Gloria klang Brigitte Ascherls strahlend heller Sopran, als schwebten Engel mit dem Spruchband "Gloria in excelsis Deo" durch das Kirchenschiff. Das andere Ende der Huldigung hielt Kathrin Edelmann in der Hand, ergänzte mit weicher Altstimme den Jubelruf zur Geburt Christi. Weiche Hörnerklänge trugen die Solostimmen.

Groß angelegte Soli findet man auch beim "Credo" nicht. Ein Quartett tritt an die Stelle, in dem der Tenor Gerhard Göbel höhensicher durch das Glaubensbekenntnis führte. Virgil Mischoks gefestigter Bass strahlte innere Ruhe aus und trat in einen spannenden Dialog mit Sopran und Alt. Diese wunderbare Gegenüberstellung von Chor und dem Solistenensemble gehörte zu den herausragenden Momenten der Aufführung.


Lobgesang des Zacharias

Spielerische Terzen bestimmen das "Sanctus". Haydn nimmt den Chor zurück, überlässt der Violine die Melodieführung und gibt den Hörnern klangmalerische Aufträge. Im "Benedictus", lässt Haydn das "Gepriesen sei der Herr" wieder variantenreich durch die vier Solostimmen verkünden. Blitzsauber, ansatzlos in der Höhe und ohne Tremolo meisterte Brigitte Ascherl den Lobgesang des Zacharias. Beim "Agnus Dei" wirkten Solisten, Orgel und Orchester klangmächtig zusammen, die mitreißende Wucht des Chores feierte das Lamm Gottes.


Furioses Orgelfinale

Bewundernswert, dass Burkard Ascherl nach intensivem Dirigat noch Konzentration, Kraft und Esprit aufbrachte, um ein Orgelfinale zu gestalten, das eindrucksvoller kaum sein konnte. Mit dem Schlusssatz der 6. Orgelsymphonie von Charles-Marie Widor präsentierte der Stadtkantor eine Perle seines Lieblingskomponisten des frühen 20. Jahrhunderts. Widor war bis 1934 Organist der Kirche Saint- Sulpice in Paris. Nun konnte die Schuke-Orgel in der Herz-Jesu-Kirche den orchestralen Klangreichtum der gewaltigen Pariser Orgel natürlich nicht erreichen, aber wenn ein virtuoser Burkhard Ascherl Widors schmetternd-verwobene Klangwelten interpretiert, sind zumindest Erinnerungen an den eindrucksvollen Kirchenraum im Herzen von Paris erlaubt.