Beide Streithähne müssen zahlen
Autor: Sigismund von Dobschütz
Bad Kissingen, Donnerstag, 03. Februar 2022
Vor Gericht stand ein Bauarbeiter, der sich mit seinem Kollegen einen handfesten Streit geliefert hatte. Das Verfahren gegen den Mann wurde gegen Geldauflage eingestellt. Darum wird auch der andere zur Kasse gebeten.
Im vergangenen Frühjahr war es auf einer Baustelle in Nüdlingen zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen zwei Arbeitern gekommen. Jetzt musste sich der Vorarbeiter wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Bad Kissinger Amtsgericht verantworten. Doch da der als Zeuge geladene Geschädigte nicht zur Verhandlung erschienen war, der Angeklagte andererseits seinen Kontrahenten als Angreifer beschuldigte, wurde das Verfahren gegen eine Geldauflage in Höhe von 500 Euro bis zur endgültigen Zahlung vorläufig eingestellt. Sein abwesender Kontrahent erhielt eine Ordnungsstrafe von 200 Euro.
Beide waren damals als Mitglieder einer Baukolonne beim Verputzen eines Hauses in Nüdlingen eingesetzt. Ein enger Terminplan musste bis Mittag eingehalten werden, da am nächsten Tag das Gerüst abgebaut werden sollte und die Arbeiter noch am selben Nachmittag auf einer zweiten Baustelle erwartet wurden. Er habe deshalb als Vorarbeiter seinen Landsmann zu schnellerem Arbeiten ermahnt, woraufhin dieser verärgert reagiert habe. Im Laufe des sich daraus entwickelnden Streitgesprächs sei es zur handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen.
"Er kam auf mich zu und hat mir ans Bein getreten", schilderte der Angeklagte den Vorgang vor Gericht. Er habe ihn abwehren wollen und deshalb von sich gestoßen. Kollegen hätten den Angreifer dann von ihm weggezogen. "Er war sehr aggressiv." Es mag sein, dass er diesen mit der Maurerkelle, die er noch in der Hand hielt, beim Wegstoßen an der rechten Wange leicht verletzt habe, da sein Gegner sich heftig bewegt habe, antwortete der Angeklagte auf Nachfrage der Richterin.
"Sehr aufgebracht"
Der Geschädigte ließ die Polizei rufen. Doch als die Beamten eintrafen, hatte der Angeklagte die Baustelle bereits verlassen. Man habe deshalb nur seinen Kontrahenten befragen können, der auf den als Zeugen geladenen Polizisten einen "sehr aufgebrachten Eindruck" machte. Nach der Verletzung befragt, meinte der Zeuge: "Er hatte nur einen kleinen Kratzer auf der Wange. Ein Pflaster hätte ausgereicht." Später habe der Geschädigte auch gebeten, die Anzeige nicht weiterzuverfolgen.
"Ohne einen persönlichen Eindruck des Opfers können wir die Verhandlung heute nicht fortsetzen", stellte die Richterin nach dieser Darstellung fest und schlug zur Vermeidung weiteren Aufwands und zusätzlicher Kosten dem Staatsanwalt vor, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen. Mit einer Geldauflage von 500 Euro war dieser einverstanden.
Nach kurzer Beratung mit seinem Mandanten, erklärte der Verteidiger, der Angeklagte sei mit der Geldauflage nicht einverstanden, da er sich unschuldig fühle und wegen anderer Verpflichtungen die Zahlung gar nicht leisten könne. Nun klärte die Richterin den Angeklagten über seine Situation juristisch auf: Schon die von ihm vor Gericht geschilderte Art der Auseinandersetzung wäre nach Auffassung des Staatsanwalts als fahrlässige Körperverletzung zu verurteilen. Da der Angeklagte wegen eines früheren Verfahrens allerdings noch unter Bewährung stünde, wäre diese nach einer erneuten Verurteilung hinfällig. Erst jetzt stimmte der Angeklagte einer Geldauflage zu.
Somit wurde auf richterlichen Beschluss die Verhandlung bis zur endgültigen Zahlung einer Auflage von 500 Euro vorläufig eingestellt, die bis Juli in sechs Raten abzuleisten ist. Gegen den abwesenden Zeugen wurde ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 Euro erlassen, das bei Nichtzahlung in Ordnungshaft umzuwandeln ist.