Bei ihm hat noch jeder "Ja" gesagt
Autor: Carmen Schmitt
Bad Kissingen, Freitag, 09. Mai 2014
Standesbeamter Hans-Joachim Bauer hat bisher fast 2500 Paare verheiratet. Bei ihm ist nicht nur die Kelly Family aufgetreten, er hatte auch Cowboys und Indianer zu Gast im Trausaal.
Es ist dieses Gefühl. Der Blickkontakt. Hans-Joachim Bauer schlüpft in dem Moment in eine Rolle. "Das ist wie bei einem Künstler, der auf die Bühne geht." Dieser spezielle Augenblick macht seinen Job aus, erklärt er. Wenn er während seiner Rede merkt, wie er langsam die Leute für sich gewinnt. Seit über 30 Jahren ist Hans-Joachim Bauer Standesbeamter.
Rund 2500 Paare haben sich vor ihm das Ja-Wort gegeben.
Mit Nein hat bisher niemand geantwortet. "Vom Binnenschiffer bis zum Richter war alles dabei", sagt der 61-Jährige. Auch prominenten Besuch hatte er schon im Bad Brückenauer Trausaal. Es sind meistens die Männer, die nicht zugeben wollen, dass sie aufgeregt sind, erzählt er und schmunzelt.
Versuch mit Schwiegermutter
Besonders nervös war Hans-Joachim Bauer vor seiner ersten Eheschließung. "Die Testperson für meinen Text war damals meine Schwiegermutter." Inzwischen habe er schon die Kinder seines ersten Ehepaares verheiratet. Bei dem 61-jährigen Bad Brückenauer waren Hochzeitsgesellschaften aus vielen Kulturkreisen: Brasilianer, Inder, Griechen, Russen, Nepalesen, Türken, Filipinos und Amerikaner zählt er auf. Zwar feiert er mit allen eine deutsche Zeremonie, "die Heimatkultur kann aber einfließen mit Liedern, Gedichten und Tänzen davor oder danach".
Hochzeit auf dem Schloss
In Hammelburg steht Schloss Saaleck bei den Heiratswilligen hoch im Kurs. Vor 50 Jahren fand dort die erste Trauung statt. Das zieht viele Auswärtige an, erzählt Standesbeamter Dieter Densch. Sein persönliches Rekordjahr war 2010: "Ich war ganz stolz. Wir hatten in Hammelburg seit 1876 wieder 100 Hochzeiten im Jahr." Seitdem steigt die Zahl. Das Besondere während der Zeremonie sei für ihn das Ja-Wort und wenn sich die Partner ein Eheversprechen geben. "Auch ein Standesbeamter muss ab und zu mal eine Träne wegdrücken", sagt er.
Hans-Joachim Bauer spricht schnell. Der Mann mit dem Schnurrbart lernt in seinem Beruf viele Menschen und deren Geschichten kennen. Dröger Schreibtisch-Alltag geht anders, wenn die Eheleute um drei Uhr morgens in Cowboy- und Indianer-Kostümen samt Federschmuck vor ihm stehen. "Von einem Wildwest-Club aus Hanau", sagt Bauer.
Ein Bäcker aus Niederwerrn gab seiner Verlobten nach der Schicht in der Backstube mitten in der Nacht das Ja-Wort vor dem Standesbeamten. Hans-Joachim Bauer hörte die Kelly Family bei einem spontanen Konzert für die Hochzeitsgäste in Bad Brückenau und traute Hochschwangere, auf die die Krankenwagen in der Einfahrt warteten. Für eine andere Trauung wäre der gelernte Polizist fast abgehoben: "Ein Zahnarzt aus Dresden wollte die Zeremonie in einem Heißluftballon nachstellen", erzählt er. "Zum Glück war dann das Wetter zu schlecht." Einige Trauungen wurden sogar vom Radiosender "Antenne Bayern" oder dem "Morgenmagazin" (ARD und ZDF) begleitet und übertragen.
Ja-Wort am Krankenbett
Witzig ging es aber nicht immer zu. In drei Fällen fand die Trauung nicht in dem Raum mit den weißen Kerzen und den dunklen Holzstühlen statt, sondern am Krankenbett in der Klinik. "Der Mann war in Lebensgefahr", sagt Hans-Joachim Bauer und lächelt nicht mehr. "Ich konnte in meiner Rede nur von der vergangenen Zeit sprechen, die die beiden zusammen hatten." So eine Situation sei für ihn aber die Ausnahme.
"Die Brückenauer heiraten ganz klassisch donnerstags. Am Freitag ruhen sie sich aus, und Samstag ist die kirchliche Hochzeit." Seit nicht mehr für das "Hochzeitsparadies Bad Brückenau" geworben wird, muss er nicht mehr mitten in der Nacht aufstehen. Dennoch: "Das Standesamt hat seit den 90er-Jahren an Wert gewonnen, weil viele nicht mehr kirchlich heiraten. Reine Verwaltungshandlung wie früher ist das nicht mehr."
Keine Kompromissbereitschaft
Eine andere Veränderung beobachtet der 61-Jährige kritisch: "Die Paare sind nicht mehr so konfliktfähig." Wenn sich Eheleute, die er verheiratet hat, scheiden lassen, berührt ihn das. "Grundsätzlich dürfte es mich persönlich nichts angehen, aber das tut mir schon manchmal leid." Die Kompromissbereitschaft fehle vielen. Bei einer Krise wird Hans-Joachim Bauer auch mal zum Eheberater, bei dem Männer oder Frauen nach Tipps fragen. Er ist selbst seit über 40 Jahren verheiratet und ist überzeugt: "Ein Gespräch kann sehr viel bewirken. Die Ehe ist wie eine Firma. Man muss zu- und abgeben."