Bad Kissingerin: Angst um die Familie in Afghanistan
Autor: Ellen Mützel
Bad Kissingen, Dienstag, 12. April 2022
Vor über einem halben Jahr nahmen die Taliban Kabul ein. Wir sprachen erneut mit der Kissingerin Derya Rahimi, deren Familie noch immer dort feststeckt.
Derya Rahimi (Name geändert) kam vor neun Jahren nach Deutschland, nachdem ihr Mann und ihr Sohn in Afghanistan getötet wurden. Nun lebt sie mit ihrem neuen Mann und ihren Kindern im Landkreis Bad Kissingen. Doch sie hat Angst um ihre Familie in Kabul. Seitdem die Taliban im August 2021 die Hauptstadt einnahmen, sorgt sich Rahimi sehr.
Rahimi erzählt auf Englisch, wie sich die Lage darstellt - spricht leise, bedacht. Die Sätze, die sie am meisten sagen wird, sind: "Ich habe Angst um.." und "Ich weiß nicht, was ich tun kann". Noch öfter: betretenes Schweigen auf beiden Seiten. Die Lage ist verzwickt.
Schwester bei der Polizei
Bei dem Gespräch mit der Redaktion im August 2021 hatte sie gesagt, sie mache sich vor allem um ihre Schwester Sorgen. Daran hat sich leider nichts geändert: Die Schwester arbeitete bis dato bei der Polizei. Damals ging sie nicht mehr vor die Tür - das hat sich bis heute nicht geändert: "Sie darf nicht, und sie hat auch Angst", berichtet Rahimi.
Sie darf nicht, weil sie eine Frau ist. Sie hat Angst, weil bereits etliche Polizeibeamte von den Taliban hingerichtet wurden oder verschwanden. Die Schwester sorge sich ebenfalls um ihren Mann, denn er sei oft in der Nähe des Polizeigebäudes gewesen, um sie abzuholen - er wurde dort also gesehen.
Versuche, sie aus dem Haus zu locken
In dem Haus, in dem die Schwester mit Mann und Kindern wohnt, leben auch ihre Eltern und eine weitere Schwester. Rahimis Mutter arbeitete früher bei der ISAF, der Sicherheits- und Wiederaufbaumission der Nato - die war ebenfalls nicht beliebt bei den Taliban.
Bereits mehrfach habe es den Versuch gegeben, ihre Mutter und ihre Schwester aus dem Haus zu locken, wie Rahimi erzählt: "Etwa vor zwei Monaten haben sie angerufen und sagten, sie hätten einen Termin, sie sollten rauskommen, damit sie miteinander sprechen können."
Ein Blick in den Laptop verrät alles
Es hieße am Telefon: "Wir wissen, wer ihr seid, kommt raus, wir wollen mit euch reden." Die Familie von Rahimi hat Angst. Sie haben das Gefühl, beobachtet zu werden. Und die Bedrohung kommt näher: Die Taliban wollten kommen und sich in ihrem Haus umsehen. Das passiert dort vermehrt.