Bad Kissinger Stadträte lehnen Bauvorhaben ab
Autor: Ralf Ruppert
Bad Kissingen, Donnerstag, 06. Oktober 2016
Trotz Befürwortung der Stadtverwaltung stimmt das Gremium gegen den Bau eines Mehrfamilienhauses. Mit Kommentar.
Bauanträge sind meist Formsache: Wo ein Bebauungsplan gilt und eingehalten wird, ist gar keine Genehmigung notwendig, über die meisten anderen Bauanträge entscheidet die Verwaltung. Einige wenige große Bauvorhaben müssen in Bad Kissingen dem Bauausschuss des Stadtrates vorgelegt werden. Der hält sich fast immer an die Vorgaben der Verwaltung.
Dass das auch anders laufen kann, erlebte Investor Reinhard Zeitz von "MSZ Planungsbüro Zeitz" in der jüngsten Sitzung hautnah: Mit acht zu drei Stimmen lehnten die Stadträte seinen Plan ab, ein Haus mit 13 Wohnungen zwischen Pfalz- und Friedrich-List-Straße zu errichten.
Auf dem Grundstück Pfalzstraße 19 und 21 steht im Moment ein eher unscheinbares Zwei-Familienhaus. "Das soll auch bestehen bleiben", erläutert Zeitz seine Pläne. Südlich soll sich ein neuer Baukörper anschließen: Mit Tiefgarage, zur Pfalzstraße hin drei-, zur Friedrich-List-Straße viergeschossig, allerdings mit einem zurückgesetzten Penthouse-Stockwerk, damit es nicht ganz so hoch wirkt. Bebauungsplan für den Bereich gibt es keinen.
Verträglichkeit geprüft
Die Bauabteilung des Rathauses prüfte die städtebauliche Verträglichkeit.
"Die nähere Umgebung ist überwiegend von Wohnnutzung geprägt", berichtete Christine Schwind von der Bau-Abteilung. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen bereits große Wohnblocks, dreigeschossig plus Sockel oder Kellergeschoss. Westlich dagegen schließen sich entlang der Friedrich-List-Straße Wohnhäuser an. "Die Nachbarn haben die Unterschrift verweigert", sagte Schwind.
Der größte Unterschied zur Nachbar-Bebauung ist laut Schwind die hohe Grundflächenzahl von 0,6. Das bedeutet: 60 Prozent der beiden Grundstücke Flurnummer 782 und 782/1 werden überbaut. Das bestehende Gebäude sowie der Neubau mit einer Grundfläche von 454 Quadratmetern füllen 38 Prozent des Areals, der Rest wird für Zufahrten und Stellplätze benötigt. Die Grundflächenzahl sei auf den umliegenden Grundstücken zwar deutlich niedriger, aber laut Bauverordnung sei der Wert 0,6 für Wohngebiete zulässig.
Bei der Höhe der Gebäude sah die Bauabteilung auch keine Hinderungsgründe: Im Bereich der Pfalzstraße werde die "Geschossigkeitz des Bestandes" aufgenommen. Zur Friedrich-List-Straße hin sei das Gebäude zwar viergeschossig. "Das oberste Geschoss ist jedoch im Westen um 1,90 Meter zurückgesetzt", sagte Schwind. Zudem sei das Gebäude stark gegliedert, die Baumasse trete also "nicht als durchgehendes Gebäude in Erscheinung".
Änderungen bei Stellplätzen
Auch die Stellplätze seien vorhanden: vier in einer Tiefgarage, drei in Fertiggaragen und sechs oberirdische waren vorgesehen.
Ein Lärmschutzgutachten kam jedoch zu dem Ergebnis, dass eine Stützwand notwendig wäre, die wiederum ohne die Zustimmung der Nachbarn nicht gebaut werden könnte. In Absprache mit der Verwaltung reduzierte der Bauherr deshalb die Zahl der Stellplätze um zwei auf vier, dafür müssen zwei abgelöst werden. Zudem sollen die Stellplätze offenporig ausgeführt werden, um weniger Fläche zu versiegeln.
Die Lärmverträglichkeit sei bereits abgestimmt, aber ein Gutachten stehe noch aus. Vorbehaltlich des Ergebnisses und mit der Auflage einer dichten Bepflanzung zu den Nachbarn hin legte die Verwaltung deshalb das Projekt zur Genehmigung vor.
Verständnis für Einwände
"Ich verstehe den Einwand der Nachbarn", stellte sich SPD-Stadtrat Thomas Menz hinter die Anlieger, und: "Ich weiß, dass es kein Recht auf freie
Aussicht gibt, aber dieser enormen Verdichtung kann ich nicht zustimmen." Menz befürchtet eine "erhebliche Beeinträchtigung der Wohnbebauung". Auch Grünen-Stadtrat Richard Fix kündigte an, dem Bauantrag wegen der zu hohen Grundflächenzahl nicht zuzustimmen."Wenn alles eingehalten wird, besteht dort Baurecht", stellte Horst Geier von der Bauabteilung der Stadt klar und verwies auf ein "hohes Prozessrisiko". "Es passt sich sowohl nach oben, als auch nach unten an", sagte auch Christine Schwind auf Nachfrage zur städtebaulichen Verträglichkeit. Dass der Bauausschuss trotzdem dagegen stimmte, schlug vor allem Investor Reinhard Zeitz vor den Kopf: "Ich verstehe das nicht", sagte er nach der Sitzung. Sein BauVorhaben sei mit der Verwaltung abgestimmt und sei in den Vorgesprächen als verträglich eingestuft worden.Wie er nun weiter vorgehe, könne er noch nicht sagen. So ging es auch der Bauabteilung nach der Sitzung: "Wir warten jetzt erst einmal ab", sagte Jan Voll, Leiter der Bauabteilung gestern auf Anfrage. Die Entscheidung des Ausschusses gegen die Empfehlung der Verwaltung sei auch für ihn Neuland. Zunächst müsse sowieso die einwöchige Frist für den Nachprüfungsantrag abgewartet werden: Laut Geschäftsordnung können Fraktionen verlangen, dass der gesamte Stadtrat die Entscheidung eines Ausschusses neu berät und eine endgültige Entscheidung fällt.
Dazu ein Kommentar von Redakteur Ralf Ruppert:
Sorgloser Umgang mit den scheuen Rehen
Investoren sind angeblich wie scheue Rehe: Schnell sind sie verprellt und geben ihr heiß ersehntes Geld lieber woanders aus. Deshalb rollen die meisten Kommunen gerade auf dem flachen Land jedem potenziellen Geldgeber den großen roten Teppich aus: Bebauungspläne werden landauf, landab entrümpelt, um ja keine Hindernisse zu schaffen. Wo es keine Bebauungspläne gibt, wie in der Bad Kissinger Pfalzstraße, werden möglichst niedrige Hürden aufgebaut: Natürlich müssen Kommunen auf die Einhaltung aller gesetzlichen Regelungen bestehen, gerne werden ausreichend Stellplätze festgeschrieben, um gut dazustehen.Aber Diskussionen über Grund- oder Geschossflächenzahlen fangen sicherlich die wenigsten Kommunen an, zumal der Investor außerhalb Bad Kissingens ja sowieso in erster Linie mit dem Landratsamt verhandelt.
Die Große Kreisstadt kann es sich durchaus leisten, solche Diskussionen zu führen, die Stadt ist gemeinsam mit Bad Neustadt auf dem Sprung zum Oberzentrum und offenbar attraktiv für Bauherren: Allein in der September-Sitzung hat der Bauausschuss Projekte mit 77 neuen Wohneinheiten durchgewinkt. Bad Kissingen hat auch durchaus Anlass dazu, auf die bauliche Gestaltung zu schauen, viele Straßen und Plätze sind Schmuckstücke und sollen es bleiben.
Aber doch bitte nicht in der Pfalzstraße! Das Wohngebiet im Norden der Kernstadt glänzt weder durch architektonische Geschlossenheit, noch durch städtebaulich wertvolle Bausubstanz. Dort ein Fass aufzumachen und Bauanträge zu kippen, ohne zumindest den Weg zu einem denkbaren Kompromiss aufzuzeigen, ist geradezu fahrlässig. Falls der Investor klagen sollte und sein Vorhaben gerichtlich durchsetzen kann, wäre das nicht nur eine juristische Niederlage, sondern auch ein Image-Verlust bei den begehrten Investoren: So etwas spricht sich in der Branche schnell herum und hängt als Makel lange nach. Deshalb wäre eine schnelle Einigung im Interesse beider Seiten.