Bad Kissinger Mittelschulen-Chef im Interview
Autor: Paul Ziegler
Bad Kissingen, Donnerstag, 25. Oktober 2012
Harald Bötsch ist neuer Chef an der Anton-Kliegl-Mittelschule, am Freitag, 26. Oktober, wird er offiziell in sein Amt eingeführt. In einem Interview stellt er seine wichtigsten Ziele und Aufgaben vor.
Hauptschule Problemschule? - Neuer Name Mittelschule und alles ist besser? Mit diesen Dingen umgehen und mit Leben und Inhalten füllen, das müssen Lehrer täglich. Auch einer, der am heutigen Freitag als neuer Schulleiter an der Anton-Kliegl-Mittelschule in Bad Kissingen offiziell in sein Amt eingeführt wird: Harald Bötsch.
Schulleiter einer Mittelschule zu sein, ist in diesen Tagen keine leichte Aufgabe. Um das Image der Schulgattung ist es nicht gerade zum Besten bestellt. Aber Harald Bötsch hat sich diese Aufgabe ausgesucht und sich nach dem Weggang seines Vorgängers Peter Plohnke speziell um diesen Posten beworben. Die Redaktion der Saale-Zeitung hat ihm einige Fragen gestellt, wie er seine persönlichen Aufgaben im Besonderen und die der Mittelschule im Allgemeinen sieht.
Saale-Zeitung: Herr Bötsch, die Entscheidung, als Schulleiter von Nüdlingen nach Bad Kissingen zu wechseln, sei Ihnen nicht leichtgefallen, aber die Schule in Bad Kissingen sei zukunftsträchtiger, haben Sie gesagt. Das klingt ein wenig so, als dass Sie der Nüdlinger Mittelschule keine guten Zukunftschancen einräumen.
Harald Bötsch: Ich gebe Ihnen recht, das könnte so klingen. Aber man muss das positiv sehen. Ich habe in Bad Kissingen eine neue Chance, eine neue Herausforderung gesehen, weil die Anton-Kliegl-Mittelschule alle Angebote einer bayerischen Mittelschule bietet.
Was finden Sie an der Arbeit als Schulleiter so toll?
Ich mache das deshalb so gerne, weil ich das Gefühl habe, ich darf was managen. Die Schule hat sich so verändert in den letzten 20 Jahren, und ich bin seit 20 Jahren Schulleiter. Die Schule hat sich so verändert, dass die Schulleiter-Tätigkeit nicht mehr alleine nur Verwalten ist, sondern auch Gestalten. Ich habe in Nüdlingen viel gestaltet und dabei gemerkt, dass mir das liegt. So sehe ich das auch in Bad Kissingen, hier kann ich gestalten.
Die Hauptschulen, Herr Bötsch, waren oder sind, wenn man es etwas drastisch sagen will, Problem-Schulen. Was hat sich mit einer neuen Namensgebung geändert?
Um Mittelschule zu werden, muss man bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Man muss ein Ganztagesangebot haben, innerhalb eines Verbundes kann das ein offenes oder gebundenes Angebot sein. An der Kliegl-Schule haben wir ein gebundenes. Das betrifft Klassen, die vormittags und nachmittags unterrichtet werden. An den anderen Schulen des Schulverbundes ...
... welche Schulen gehören da noch dazu?
... Oberthulba, Bad Bocklet und Burkardroth ... gibt es offene Ganztagesklassen. Dann gehört dazu die Berufsorientierung ab der 7. Jahrgangsstufe, mit Praxistagen, schließlich gehört der mittlere Schulabschluss dazu. In einem Mittelschulverbund muss mindestens in einer Schule ein mittlerer Schulabschluss möglich sein. Das bietet Bad Kissingen. Dann haben wir noch die modulare Förderung in den 5. und 6. Jahrgangsklassen, das ist auch neu. Und schließlich gibt es noch eine Praxisklasse, die einzige im Schulamtsbereich Bad Kissingen. Aber wie meinen Sie das mit dem schlechten Image?
Hauptschulen hatten generell ein schlechtes Image. Die Ausrichtung der Schulen mit Bildungsschwerpunkten, mit gezielter Förderung, einer Praxisorientierung, das ist alles relativ neu. Die Hauptschule war das Sammelbecken für den Rest, der an keiner anderen Schule untergekommen ist. Mit der Mittelschule hat man das neu strukturiert, aber sind dabei auch die Probleme, die es gab, passé?
Nein, die sind natürlich nicht weg. Das größte Problem ist das Image-Problem der Hauptschule. Im Prinzip möchte niemand sein Kind an einer Hauptschule haben. Das liegt sicher auch an Unkenntnis von Eltern, was beispielsweise die Übertrittsmöglichkeiten betrifft. Da ist vieles möglich bis hin zur Berufsoberschule und zum Gymnasium. Wir können in Bayern aber grundsätzlich auf unsere Hauptschulen stolz sein, weil unsere Hauptschule nicht unbedingt vergleichbar ist mit Hauptschulen in anderen Bundesländern. Was gut an der Haupt- oder Mittelschule, egal wie man sie nennt, in Bayern ist, ist das Alleinstellungsmerkmal Praxisorientierung. Es stehen zwar im M-Bereich immer noch die kognitiven Ziele im Vordergrund, aber die Praxis- und Berufsorientierung bietet so keine andere Schulart.
Erkennen Sie eine Veränderung des Bildes, das man sich in der Öffentlichkeit von der Mittelschule macht, oder ist die Hauptschule noch immer so, wie sie war, in den Köpfen?
In den Köpfen ist immer noch die Hauptschule. Auch Lehrer sagen manchmal noch Hauptschule und nicht Mittelschule. Was ich aber feststelle ist, dass ein verstärktes Interesse von Seiten der Wirtschaft an unserer Schule vorhanden ist. Wir bekommen Unmengen von Flyern, in erster Linie von Handwerksbetrieben und vom Bauhauptgewerbe, wo beispielsweise darauf hingewiesen wird, dass man dort nicht nur Maurer lernen kann, sondern auch den Beruf des Bauzeichners, der Bürokauffrau oder des Bürokaufmanns. Das zeigt insgesamt das Interesse an der Mittelschule. Vor zehn Jahren hatten viele Eltern die Sorge, dass ihr Kind, das die Hauptschule besucht, schlechtere Berufsmöglichkeiten hat. Heute hat man vielleicht als Akademiker größere Probleme, einen Job zu bekommen, als wenn man nach Abschluss der Mittelschule einen ordentlichen Ausbildungsberuf erlernt und sich vielleicht noch weiterqualifiziert.
War der Übergang von der Hauptschule zur Mittelschule sehr gravierend? Hat sich da für die Schüler und Lehrer vieles verändert?
Nein. Das war ein Prozess, der vorbereitet wurde, ohne dass man von Mittelschule gesprochen hatte.
Wie lange lief dieser Prozess?
Der Schulentwicklungsprozess lief über fünf bis sechs Jahre. Es kam bereits vorher die Berufsorientierung, es gab dann die Zusammenarbeit mit anderen Schulen. Wir haben in Nüdlingen beispielsweise mit Münnerstadt zusammengearbeitet. Bei kleinen Gruppen haben wir im Bereich "soziale Technik" die Schüler aus beiden Schulen zusammengefasst. Da haben wir schon vorgearbeitet, ohne dass wir wussten, dass es auf die Mittelschule zugeht.
Wo sehen Sie als Rektor der Anton-Kliegl-Mittelschule Ihre vordringlichen Aufgaben?
Für mich ist es ganz wesentlich, auch nach außen zu transportieren, dass die Schule nicht so schlecht ist, wie ihr Ruf. Wir hatten vor acht bis zehn Jahren schwierige Schüler. Das ist nicht mehr der Fall. Wir haben momentan eine heterogene Schülerschaft, auf der einen Seite die M-Schüler, dann die Regelschüler und die Praxisklasse. Wenn sich ein Schüler mal danebenbenimmt, wird das immer gleich auf die ganze Schule projiziert. Dagegen muss man ankämpfen. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, nach außen ein bisschen mehr Imagepflege zu betreiben und in die Bevölkerung hineinzutransportieren, dass die Schule nicht so schlecht ist wie ihr Ruf.
Was passiert im Schulverbund?
Aus allen vier Schulen werden die Schülerzahlen zusammengezählt. Wir haben momentan 603 Schüler. Dazu gibt es eine Budget-Tabelle, hier stehen entsprechend dieser Schülerzahl die Lehrerstunden, das sind 1120. Die Aufgabe des Mittelschul-Koordinators ist es, mit dem Schulamt und den Schulleitern diese 1120 Lehrerstunden auf die vier Schulen so zu verteilen, dass an allen Schulen ein ordentlicher Unterricht möglich ist.
Herr Bötsch, was ist in zehn Jahren?, gibt es da noch Mittelschulen? Und wenn ja, wie sehen die aus?
Es wird die Mittelschulen in zehn Jahren noch geben. Davon bin ich überzeugt. Ich glaube, dass wir die Dreigliedrigkeit - Mittelschule, Realschule und Gymnasium - brauchen. Das ist meine persönliche Meinung. Wir können damit die Schüler entsprechend ihrer Fähigkeiten besser fördern und nach vorne bringen. Ich bin stolz auf unsere Mittelschule, weil wir durch unser Alleinstellungsmerkmal ein Angebot haben, das andere Schularten nicht vorweisen können. - Wie sieht die Mittelschule in zehn Jahren aus? Es wird weniger Standorte geben, mit Sicherheit, da braucht es keine zehn Jahre. Es wird an jedem Standort, an dem es ein Gymnasium oder eine Realschule gibt, auch eine Mittelschule geben. Unsere Schullandschaft wird sich so verändern, dass es in allen Dörfern - wo es jetzt schon eine Grundschule gibt - eine Grundschule geben wird. Die Mittelschulen werden sich zentralisieren müssen.
Das Interview führten Angelika Luga-Braun und Paul Ziegler
Zur Person Harald Bötsch
Der neue Schulleiter der Anton-Kliegl-Mittelschule ist 57 Jahre alt, verheiratet, Vater dreier erwachsener Kinder. Seit 1978 ist er Lehrer, er war eingesetzt in Bad Kissingen (1978), dann in Münnerstadt, Premich und am Schulamt selbst, seit 1996 war er Schulleiter der Volksschule in Nüdlingen. Seit 1. August 2012 ist er offiziell Schulleiter der Anton-Kliegl-Mittelschule.