Bad Kissinger Friseure fordern Öffnung ihrer Salons
Autor: Sigismund von Dobschütz
Bad Kissingen, Montag, 25. Januar 2021
Die Fixkosten laufen weiter, die Förderanträge konnten lange nicht gestellt werden, weil die Formulare nicht zur Verfügung standen und die Kunden bedrängen sie: Friseure haben es zurzeit nicht leicht.
Einen Tag vor dem jüngsten Corona-Gipfel im Kanzleramt hatte die bayerische Landesinnung der Friseure von der Staatsregierung gefordert, die Salons ab 1. Februar wieder öffnen zu lassen. Zur Unterstützung demonstrierten hunderte Friseure in bayerischen Städten, auch in Bad Kissingen. "Der hohe Arbeitsschutz- und Hygienestandard lässt das Arbeiten in der Pandemie zu", begründet der Verband seine Forderung. Viele Betriebe seien in ihrer Existenz bedroht, weil es auch fünf Wochen nach der Schließung noch immer keine staatliche Hilfe gibt. Doch nun wurde der Lockdown bis zum 14. Februar verlängert.
"Warum dürfen alle anderen Handwerksbetriebe ungehindert weiter arbeiten?", wundert sich Marko Urban, Kreisobermeister der Friseur-Innung. "Wir Friseure sind die einzigen Vollhandwerksbetriebe, die geschlossen sind." Nach dem ersten Lockdown und nun wieder wochenlanger Geschäftsschließung sind seine Kolleginnen und Kollegen "mehr als frustriert", bestätigt Friseurmeisterin Christiane Schießer, zumal das von der Landesinnung erstellte Hygienekonzept in den Monaten der Lockerung "sehr gut funktioniert und das Infektionsgeschehen in den Betrieben keine Rolle gespielt hat".
Die Betriebsumstellung habe damals sehr gut geklappt, meint auch Janina Ehrenberg, "zumal wir schon vorher einen hohen Hygienestandard hatten", der durch zusätzliche Maßnahmen wie Abstandswahrung, Trennscheiben, Maskenpflicht und vorherige Haarwäsche noch erhöht wurde. Der Landesverband, Branchenvertretung von 80 000 Betrieben in Bayern, verweist deshalb auf nur acht gemeldete Corona-Verdachtsfälle im Jahr 2020, die letztlich nicht einmal bestätigt worden seien.
Im vergangenen Geschäftsjahr hätten die bayerischen Friseure einen Umsatzverlust von 30 Prozent verkraften müssen. Die erneute Schließung seit Dezember bringe nun viele Salons in Existenznot, vermutet Marko Urban, auch wenn ihm aktuell noch keine Schließung bekannt ist. Friseure, die in der Vergangenheit keine Rücklagen bilden konnten, müssten an ihr Erspartes ran, denn Fixkosten laufen weiter. "Es ist also nur eine Frage der Zeit, wie lange ein Salon das durchhält", fürchtet auch Ehrenberg die Folgen.
Die längst versprochenen Hilfen der Bundesregierung gibt es bisher "nur theoretisch auf dem Papier", kritisiert Urban. Anträge konnten bisher gar nicht gestellt werden. Die entsprechenden Formulare soll es erst in den nächsten Tagen geben. Es wird sich also noch lange hinziehen, bis Gelder wirklich ausgezahlt werden können. Außerdem fallen zusätzliche Kosten an, da ein solcher Antrag nur über einen Steuerberater, Unternehmensberater oder Anwalt gestellt werden darf.
Vielleicht hat sich der eine oder andere am vergangenen Freitag Nacht gewundert, dass einige Salons Tag und Nacht hell erleuchtet waren. Grund war nicht die Vergesslichkeit der Salonbesitze, sondern es handelte sich um eine Art stillen Protest der bayerischen Friseure gegen die Schließlung ihrer Salons. Zu dieser Protestaktion hatte der Landesinnungsverband der bayerischen Friseure aufgerufen, um auf die prekäre Situation der Salons hinzuweisen. Im gesamten fränkischen Raum wurde diese Aktion von zahlreichen Friseuren unterstützt, und auch einige Bad Kissinger waren dabei.
Da sich der natürliche Haarwuchs aber nicht vom Staat aufhalten lässt, werden manche Friseure von Kunden bedrängt, den staatlichen Erlass zu umgehen, musste Kreisobermeister Urban wiederholt erfahren. "Bei uns kommen täglich Anfragen herein, ob wir nicht eine Ausnahme machen können", bestätigt Christiane Schießer und schimpft: "Unsere Mitarbeiter werden sogar privat massiv bedrängt."
Auch deshalb fordert die Landesinnung die schnelle Öffnung der Salons und warnt die Staatsregierung vor der Gefahr von Schwarzarbeit durch unseriöse Anbieter. In solchen Fällen wäre jede Kontrolle der Einhaltung von Hygienestandards und die Nachverfolgung von Infektionsketten unmöglich. Kreisobermeister Urban fordert deshalb für den Landkreis eine stärkere Kontrolle durch das Landratsamt und ein strengeres Durchgreifen der Polizei.
Umso verärgerter sind die Friseure über das auffällig perfekte Haarstyling von Fußballern und anderen Stars. Urban empfindet dies sogar als "absolute Frechheit" und fordert "gleiches Recht für alle". Fußballer sollten als Vorbilder mit gutem Beispiel vorangehen und nicht die Schwarzarbeit fördern, schließt sich Ehrenberg an. "Es ist doch ein großes Privileg, dass der Profifußball trotz der Pandemie weiterhin stattfinden darf", meint auch Schießer. "Die Sportler sollten deshalb Solidarität zeigen und nicht mit frisch gestylten Haaren unsere Branche unter Druck setzen."
Nicht alle Hairstylisten sitzen daheim und warten nur auf die Wiederöffnung ihres Salons. Manche nutzen die Pause als Chance für kreative Ideen. So versorgt Janina Ehrenberg ihre Kunden über Online-Versand mit Produkten und Farb-Home-Kits zum Selbstfärben mit genauer Anwendungsbeschreibung. "Das ersetzt zwar keinen Friseurbesuch, hilft aber, die Zeit zu überbrücken."
Sobald das Datum zur Wiedereröffnung ihrer Salons feststeht, werden Urban, Ehrenberg und Schießer wie wohl alle ihre Kollegen frühzeitig Termine an die Kundschaft vergeben, mit ihren Teams auf freie Tage verzichten und täglich in mehreren Schichten durcharbeiten, um ihre Kunden zufriedenzustellen. Kreisobermeister Urban appelliert schon heute an Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dann unter Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitregelung so flexibel wie möglich zu handeln. Ehrenberg fordert sogar für die Zeit nach dem Lockdown vom Gesetzgeber eine Ausweitung der einengenden Ladenschlusszeiten.