Tote in der Obdachlosen-Szene in Bad Kissingen - Sozialpädagoge: "Manchmal ahne ich, wer der nächste ist"
Autor: Susanne Will
Bad Kissingen, Donnerstag, 19. Dezember 2019
2019 sind mindestens drei Menschen gestorben, bei zweien könnten Drogen die Ursache gewesen sein. Der Jüngste starb am Dienstag - mit 26 Jahren.
Auch in Bad Kissingen sterben Menschen still, leise, ohne großes Tamtam. Oft gibt es keine Todesanzeige von Hinterbliebenen, selten eine Polizeimeldung. Die Gruppe der Gäste auf der Beerdigung ist überschaubar, vermutlich kennt man sich untereinander. Diese Menschen werden häufig nicht alt.
Zwei Obdachlose im Dezember gestorben
Am 10. Dezember starb ein 30-Jähriger. Und am 17. Dezember 2019 erwischte es einen 26-Jährigen. "Es", das ist eine Mischung aus einer Überdosis schlechtem Leben, verpassten Chancen, Krankheit, Psyche, Suff und anderen Drogen. Und selbstverständlich kriegt in Bad Kissingen wie in jeder anderen Stadt jeder alles, wenn er es drauf anlegt.
Was schlussendlich den Tod der beiden jungen Männer ausgelöst hat, ist noch unklar - es gibt Hinweise auf eine Drogenvergiftung, sagt das Würzburger Polizeipräsidium. Ob sich die Bewahrheiten, müssen noch Untersuchungen zeigen. Zusammengebrochen war der 30-Jährige in der Obdachlosenunterkunft der Stadt Bad Kissingen, dort war er bei jemandem untergekrochen. Er starb in einer Klinik.
Christian Fenn arbeitet seit 21 Jahren mit Menschen mit Suchtproblemen
Einer, der diese Menschen alle kennt und schon viele beerdigt hat, ist Christian Fenn. Seit 21 Jahren ist er im Landkreis der Ansprechpartner für Menschen mit Suchtproblemen und deren Angehörigen. "Wer jetzt fragt: Wer hatte denn da Schuld, wer hat denn da seinen Job nicht richtig gemacht?, der stellt die falsche Frage", sagt Fenn. "Hier ist niemand Schuld. Weder die Stadt Bad Kissingen, noch die Politik, noch die Polizei oder andere Sicherheitsbehörden."
In Deutschland, sagt Fenn, basiert jede soziale Arbeit auf Freiwilligkeit. Fast niemand - es sei denn, es gibt einen gerichtlichen Beschluss - darf über einen anderen Menschen bestimmen. Fenn: "Ich darf auch nicht sagen: Du gehst jetzt nach Werneck und machst einen Entzug, selbst wenn ich es für wichtig halte, kann ich einen Menschen nicht zwingen - ich kann es nur anbieten." Und wenn sich jemand dazu entschließt, dann kann der sich auch dafür entscheiden, zwei Tage später auf eigenen Willen die Suchtstation zu verlassen und an der nächsten Ecke den Promilleverlust wieder aufzuholen und weiterzumachen, bis Herz, Leber, Darm versagen.
Fenn rechnet zusammen, er kommt in diesem Jahr auf drei Tote, "vielleicht auch vier", deren Leben durch Alkohol und oder andere Drogen beendet wurde. In der Kriminalstatistik landen sie erst, wenn nachgewiesen ist, dass Heroin, Kokain oder ein anderer harter Stoff die Ursache für das letzte Pumpen des Herzens ist. Nicht verzeichnet werden die Leberkollapse, die heftig blutenden Magengeschwüre, die Herzstillstände, die Blutvergiftungen nach jahrelangem Missbrauch. Ein natürlicher Tod also, nach einem Leben, das alles andere als normal verlaufen ist. Die Würzburger Polizei hat Aktenzeichen zu diesen drei jüngsten Todesfällen, in zwei Fällen steht wie gesagt der Drogenverdacht im Raum, in einem Fall steht die "natürliche" Todesursache fest. Dabei handelt es sich um einen 52-Jährigen aus der Szene, der am 13. November 2019 starb.