Bad Kissingen: Such-Frust statt Kitaplatz
Autor: Benedikt Borst, Annett Lüdeke
Bad Kissingen, Freitag, 11. März 2022
Eltern müssen monate-, teils jahrelang auf einen Kitaplatz für ihre Kinder warten. Rückkehrer Julian Werner kann ein Lied davon singen. Er hätte den Rechtsanspruch durchsetzen können, hat aber einen anderen Weg gewählt.
Julian Werner war beruflich längere Zeit im Ausland unterwegs. In Mexiko lernte er seine Frau Barbara kennen, inzwischen ist das Paar fest nach Bad Kissingen gezogen - hier in seiner Heimatstadt gründen sie ihre Familie. Eigentlich läuft alles hervorragend: Beide haben gut bezahlte Jobs in der Industrie in Bad Neustadt, den Traum vom eigenen Haus haben sie in Reiterswiesen verwirklicht, der gemeinsame Sohn kam im September 2020 zur Welt. In einem Punkt ist der Frust allerdings riesig: Bei der Platznot in den Bad Kissinger Kitas. "Wir überlegen nach dem ganzen Gezerre ernsthaft, ob wir noch ein zweites Kind wollen", sagt Julian Werner.
Er habe umgehend nach der Geburt versucht, das Kind in einer Kita anzumelden. Das Kind sollte mit einem Jahr in die Krippe gegeben werden, damit Barbara Werner wieder in den Beruf einsteigen kann. Nachdem die Anmeldung über das Elternportal der Stadt Little Bird nichts brachte, telefonierte er die Kindergärten in der Stadt ab. Jedoch hagelte es nur Absagen. "Wir haben uns für jeden Kindergarten angemeldet, Hauptsache wir kommen irgendwo unter", erzählt er.
Bis heute hat die Familie keine Zusage. Im Gegenteil: Erst für September 2023 - also drei Jahre nach der Geburt - haben die Werners einen Platz in einer Kissinger Kita in Aussicht. "Das ist nicht attraktiv, was die Stadt jungen Menschen anbietet. Wenn der Arbeitgeber nicht mitgespielt hätte, die Elternzeit in Teilzeit zu verlängern, hätte meine Frau ihre Arbeit aufgeben müssen", klagt Julian Werner. Mit der Teilzeitregelung, der Möglichkeit im Home-Office zu arbeiten und mit der Hilfe einer Tagesmutter, die den Sohn ein paar Stunden betreut, hangelt sich die Familie seitdem durch.
Rechtsanspruch und Klageweg
Seit dem 1. August 2013 besteht bundesweit ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren. Eltern, die einen Betreuungsplatz für ihr Kind wünschen, müssen einen Antrag beim Jugendamt stellen, bestätigt Rechtsanwalt Florian Arand von der Kanzlei Arand und Höfler Bad Kissingen im Gespräch mit dieser Redaktion. Wenn drei Monate nichts passiert, haben die Eltern die Möglichkeit einer Untätigkeitsklage. Bei einem Ablehnungsbescheid, oder wenn aus Sicht der Eltern eine unzumutbarer Betreuungsplatz zugewiesen wurde, können die Eltern Widerspruch einlegen, oder vor dem Verwaltungsgericht Klage einreichen.
Komplette Ablehnungsbescheide seien selten, ergänzt Arand. Aber es komme vor, dass zugewiesene Betreuungsplätze mit zu weiten Fahrten einhergehen oder die Situation von Geschwisterkindern nicht berücksichtigt wurde. Parallel zur eigentlichen Klage gibt es auch das Eilverfahren. Hier wird der Bescheid nur grob geprüft und welche Folgen die Entscheidung für beide Seiten hätte. Ein Eilverfahren ersetzt nicht die Entscheidung im eigentlichen Gerichtsverfahren.
Arand sagt: "Es ist definitiv ratsam, sich rechtlichen Beistand zu holen", wenn es darum geht, den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz durchzusetzen. Ein Anwalt unterstützt nicht nur dabei, den Klageweg zu bestreiten. Es können auch andere Probleme aufkommen. Etwa wenn es um Schadensansprüche geht, weil wegen der unzureichenden Betreuungssituation eine Arbeitsstelle nicht angetreten werden konnte. Oder um die Frage, welches Rechtsmittel gerade das richtige ist. Ein weiterer Aspekt ist es, angemessenen Kontakt zur zuständigen Behörde zu halten.
Ein Platz im Nachbarlandkreis
Familie Wehner ist ohne den Klageweg ausgekommen. Vor kurzem haben sie die Suche nach einem Kitaplatz auf Bad Neustadt ausgedehnt. "Da hatten wir nach zwei Wochen die Rückmeldung, dass wir ab März einen bekommen", freut Julian Werner sich. Endlich.