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Bad Kissingen: So rechts sind die Demos


Autor: Benedikt Borst

Bad Kissingen, Montag, 19. Sept. 2022

In Bad Kissingen drohen Aufzüge im "Wut-Winter". Ein Online-Seminar heute Abend zeigt auf, dass sich Verschwörungsideologien und Rechtsextremismus in Chat-Foren vermischen.
Seit Monaten treffen sich Coronagegner donnerstags zu Demonstrationszügen durch Bad Kissingen. Rechtsextreme Propaganda und Verschwörungsideologien gehören auch in Bad Kissingen zur Szene dazu.


Die Donnerstagsdemos der Coronagegner durch Bad Kissingen, die seit dem vergangenen Winter stattfinden, hat die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Bayern auf dem Schirm. Deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unterstützen bei Vorfällen mit neonazistischen, extrem rechten, rechtspopulistischen und rassistischen Hintergründen. Sie geben Einmalauskünfte, helfen, die Lage einzuschätzen, helfen Strategien gegen rechts zu entwickeln und bieten Vorträge, Seminare und Workshops an, von der extrem Rechten in Bayern über Hate Speech bis hin zu Argumentationstrainings.

"Auch in Bad Kissingen kann man das Zusammengehen von Verschwörungsideologien und rechtsextremen Inhalten gut beobachten", sagt Dominik Sauerer von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. In dem Telegramchat, in dem sich die Demonstrierenden vernetzen, werden laut dem Experten harte Verschwörungstheorien geteilt und es mischen Akteure der rechtsextremen Szene mit, die dort ihre Propaganda loswerden. "Da gibt es keine Abgrenzung mehr zwischen rechten und verschwörungsideologischen Inhalten", berichtet er. Menschen in dieser Gruppe, die sich selbst politisch nicht als rechts oder rassistisch sehen, blenden das jedoch oft aus, um sich mit Demos in einer größeren Gruppe mehr Gehör zu verschaffen.

Das Landratsamt Bad Kissingen veranstaltet heute Abend ein Online-Seminar mit Sauerer. Inhaltlich beschäftigt sich das Seminar damit, wie verschwörungsideologische und rechtsextreme Akteure aktuelle Krisen nutzen, um ihre Weltsicht zu verbreiten, die Menschen für einen propagierten "Wut-Winter" auf die Straßen zu bringen und wie die bürgerliche Mitte darauf reagieren kann.

Rechtsextreme Propaganda nutzt Krisen

"Es geht schon lange nicht mehr nur um Corona"", erklärt Sauerer. Die Szene greift aktuelle Krisen auf vom Ukraine-Krieg über die Inflation bis zur Energiekrise und dem Klimawandel. Diese Krisen erklärt er mit verschwörerischen Erzählungen oder rassistischen, menschen- und demokratiefeindlichen Motiven. "Man setzt sich nicht konstruktiv mit dem Weltgeschehen auseinander, sondern gibt die Schuld für komplexe Prozesse einzelnen Personen und Gruppen", sagt er. In den Verschwörungen steckt dann eben Microsoft-Gründer Bill Gates hinter der Pandemie, die Nato hat den Ukrainekrieg angezettelt und Globalisten haben die Klimakrise erfunden.

Dass diese Akteure das demokratische System ablehnen, dem Staat und den Medien nicht glauben, hält der Rechtsextremismus-Experte "für enorm gefährlich". In den Verschwörungserzählungen gehe es oft um das Schicksal der Menschheit. Nur die Verschwörer und wenige Eingeweihte seien in der Lage, die Welt zu retten. "Psychologisch ist es dann nur ein kleiner Schritt, sein vermeintliches Widerstandsrecht auszuüben", sagt Sauerer. Die steigende Zahl an Übergriffen auf Journalisten, aber auch der Tankstellenmord von Idar-Oberstein zeigen das radikale Drohpotential.

Der Rechtsextremismus-Berater betont, dass es nicht darum geht, Demonstrationen und Protest zu delegitimieren. "Aber wir müssen klar definieren, wo die Grenzen des Protests liegen", sagt er. Dort, wo menschenfeindliche und rassistische Aussagen aufkommen, müsse widersprochen werden. Sauerer betont: "Demokratischer Protest muss sich klar abgrenzen." Wenn auf einer demokratischen Demonstration rechtsextreme oder verschwörerische Aussagen fallen, müsse dagegen Protest eingelegt werden. Er rät, den Versammlungsleiter oder die Polizei hinzuzuziehen. "Solche Aussagen dürfen nicht anschlussfähig sein!", macht der Fachmann deutlich. Der Staat müsse Strafbares konsequent verfolgen.

Landrat bezieht Stellung gegen rechts

Das gilt nicht nur auf einer Demonstration, sondern auch in den Kommentarspalten sozialer Netzwerke oder in Chatgruppen. "Auch hier gilt es, zu widersprechen und strafrechtlich relevante Inhalte zu melden", sagt Sauerer. Eine klare Position dagegen einzunehmen sei wichtig - nicht um den Rechtsextremen oder Verschwörungsideologen vom Gegenteil zu überzeugen, sondern um ein Signal an Dritte zu senden und um klar zu machen, dass die Extremen nicht die schweigende Mehrheit vertreten.

Landrat Thomas Bold (CSU) will auf das Thema aufmerksam machen und Menschen unterstützen, die sich zivilgesellschaftlich engagieren. "Wir dürfen nicht zulassen, dass Hass, Hetze und Verschwörungstheorien verbreitet werden. Unsere Aufgabe als Mitte der Gesellschaft muss es sein, sich dem Rechtsextremismus entgegen zu stellen", sagt er.

Rechtsextremismus sei vielfältig, etwa ein vermeintlich harmloser Spruch auf dem Schulhof, am Stammtisch oder der Arbeit. Ein hässlicher Kommentar auf einer Social-Media Plattform könne großen emotionalen Schaden und Hass hervorrufen. "Nicht selten führen Androhungen im Netz zur Umsetzung - ich nenne hier nur das Massaker in Oslo oder den Anschlag in Halle. Mit dem Online-Seminar wollen wir Hilfe bieten, real und digital auf Radikalisierung zu reagieren", bekräftigt der Landrat.

Aufklären gegen rechts

Worum gehts? Das Online-Seminar der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern steht unter dem Titel "Gesellschaft in der Krise: Wie rechte Gruppen den Notstand nutzen". Es behandelt, wie Rechtsextreme und Verschwörungsideologen Krisen nutzen, um Propaganda zu verbreiten.

Wann? Das Seminar findet heute Abend statt von 18 bis 19.30 Uhr. Anmeldung und Fragen unter Email: amif@kg.de und Tel: 0971/ 8017032, Ansprechpartnerin: Jessica Müller. lbo