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Bad Kissingen ist eine Marke


Autor: Ralf Ruppert

Bad Kissingen, Sonntag, 19. Juli 2015

Die Deegenberg-Klinik ist die einzige akademische Lehreinrichtung in der Stadt. Die Politik hofft auf ähnliche akademische Angebote.
"Die Qualität ist da, Bad Kissingen ist eine Marke", sagt Dr. Gerhard-Walter Schmeisl, stellvertretender Ärtzlicher Direktor der Deegenberg-Klinik. Hier überwacht er das Training der drei Patienten (von rechts) Fritz Rammler, Franz Ukena und Wolfgang Deckmann. Fotos: Ralf Ruppert


Vor vier Wochen hat Wolfgang Deckmann eine neue Herzklappe bekommen, seit zwei Wochen ist er auf Reha. "Es wird langsam besser", freut er sich über jeden Fortschritt, während er mit anderen Patienten trainiert, darunter auch Fritz Rammler, der wegen eines Herzinfarktes in der Deegenberg-Klinik gekommen ist. "Ich habe hier gelernt, wieder mehr den Kopf einzuschalten, vor allem beim Essen", sagt Rammler. Beide Patienten fühlen sich gut aufgehoben in der Deegenberg-Klinik - kein Wunder, schließlich handelt es sich um eine akademische Lehreinrichtung der Universität Würzburg, die im Qualitäts-Ranking der Deutschen Rentenversicherung Bund ganz weit vorne liegt.

Moderne Technik im Einsatz

"Früher stand Bad Kissingen für ein bisschen Kur, aber wir machen hier alles, vom Echo-Kardiogramm bis zur Farb-Duplex-Sonographie", unterstreicht Dr. Gerhard-Walter Schmeisl, stellvertretender Ärtzlicher Direktor der Deegenberg-Klinik, die Qualität im Haus. Deshalb sei die Klinik im März 2011 auch vom Rat der Medizinischen Fakultät in Würzburg als akademischen Lehreinrichtung anerkannt worden. "Dazu benötigt man natürlich auch qualifiziertes Personal und die Weiterbildungsermächtigung", betont Schmeisl.

Zahlreiche praktische Tipps

Der Internist, Angiologe und Diabetologe selbst hält seit Jahren die Vorlesung "Kardiologische Rehabilitation" an der Universität Würzburg. Zudem kommen regelmäßig Spezialisten der Uni-Klinik in die Deegenbergklinik. Jedes Jahr im Frühjahr und im Herbst können sich Studierende zwei Tage lang umsehen: "Sie befragen die Patienten und sprechen mit den Oberärzten", berichtet Schmeisl. Dabei gebe es auch viele praktische Tipps für die Studenten im sechsten Semester: So würden gerade Frauen oft eher zu Reha, als zur Akut-Medizin tendieren. "In der Akut-Medizin wird man oft verheizt, hier geht es etwas ruhiger zu." Solche Rahmenbedingungen seien ein wichtiger Aspekt bei der Suche nach akademischen Kräften: "Gute Leute wollen heute gute Lebensqaulität", sagt Schmeisl: "Die sind nicht mehr so bescheurt wie wir früher und arbeiten 20 Stunden am Tag."
Der Status als Lehrkrankenhaus ist für Schmeisl auch Nachwuchswerbung. Mit Erfolg: "Zu uns kommen viele gute Leute, es hat sich herumgesprochen, dass wir Fachärzte ausbilden, auch Doktoranden haben wir immer wieder hier." Gleichzeitig geht es Schmeisl aber auch immer um den Standort: "Die Qualität ist da, Bad Kissingen ist eine Marke", sagt er. Dazu trägt auch er seit 24 Jahren bei, seit er in der Modelleinrichtung "Diabeteszentrum Fürstenhof" angefangen hat. Nach dessen Schließung holte ihn Prof. Dr. Peter Deeg dann in seine Klinik. Auf internationalen Kongressen, durch seine Bücher und durch regelmäßige Veröffentlichungen trägt Schmeisl den Ruf Bad Kissingens in die Welt.
"Die Politik muss vernetzen und den Rahmen bilden", ist Schmeisls Meinung. Aber: "Die Politik kann es nicht selbst machen." Kommunalpolitiker müssten am Ball bleiben, um Projekte vielleicht mit Fördergeldern anzustoßen, aber es liege an den Kliniken, die Kompetenzen zu bündeln. "Wir könnten schon längst Modellregion zum Beispiel bei der Behandlung von Übergewichtigen sein", nennt Schmeisl als Beispiel. Einen Lehrstuhl oder gar eine Hochschule in die Stadt zu bekommen, hält er dagegen für unrealistisch.


Der Traum von der Hochschule

von Ralf Ruppert
Bereits im August 2014 hat die Bayerische Staatsregierung die Nordbayern-Inititiative ausgerufen. Ein Ziel war die dezentrale Ansiedlung von Hochschulangeboten. In Rothenburg ob der Tauber beispielsweise hat das Kultusminsterium die Einrichtung eines neuen Studeinganges abgesegnet, beantragt von den Hochschulen Ansbach, Aschaffenburg und Triesdorf. FDP-Kreisrätin Adelheid Zimmermann hat eine ähnliche Initiative für den Landkreis Bad Kissingen vorgeschlagen. In der jüngsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses gab es eine Diskussion dazu, die allerdings keine konkreten Ergebnisse brachte.

"Erhebliche Abwanderung"

"Wir haben gerade von Abiturienten eine erhebliche Abwanderung", sagte Zimmermann und erntete dafür viel Zustimmung. Deshalb forderte sie, sich um eine wissenschaftliche Einrichtung zu bewerben. Themen gebe es jede Menge: Demografischer Wandel, Holz-Architektur, energieautarke Gemeinden oder Elektromobilität nannte sie als Beispiele. Vor allem aber passe Medizin zum Standort.
"Unser Problem ist, dass die Perspektiven für Hochschulabgänger im ländlichen Raum schlecht erscheinen, obwohl sie das nicht sind", sagte Zimmermann, die selbst in der Allgemeinarzt-Praxis ihres Mannes arbeitet. Deshalb hält sie es für so wichtig, bereits Studierende in die Region zu bekommen.

Antrag wurde nicht genehmigt

"Der Antrag deckt sich mit dem, was wir seit Jahren machen", ging Landrat Thomas Bold (CSU) zwar auf Zimmermann zu, leitete daraus jedoch keine Beschlüsse ab. "Wir bemühen uns seit Jahrzehnten, Hochschulangebote nach Bad Kissingen zu bekommen." Deshalb sei auch bedauerlich, dass der Antrag für einen Studiengang zum Thema Rescue-Management nicht genehmigt worden sei (siehe Info-Kasten auf der Titelseite).
Bold verwies auch darauf, dass es bereits seit drei Jahren Pläne gebe, einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin in Würzburg einzurichten. "Man muss realistisch sein: Einen solchen Lehrstuhl wird es hier nicht geben, den kann es nur an einer Universität geben", sagte Bold. Umso wichtiger sei aus seiner Sicht die Entscheidung, dass eine Außenstelle des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit mit 100 qualifizierten Arbeitsplätzen nach Bad Kissingen kommt.
"Die Behördenverlagerung ist nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein", sagte dagegen Reimar Glückler (FW), und: "Die 100 Leute lösen das Problem nicht." Viel wichtiger sei es, den ländlichen Raum weiter zu stärken. "Ich bin nicht der Auffassung, dass es wichtig ist, wo eine Ausbildung stattfindet, sondern wie", sagte SPD-Kreisrat Robert Römmelt. Aus seiner Sicht sollten gerade in der Medizin die Zugangsvoraussetzungen gesenkt werden, um mehr Praktikern, die zum Beispiel als Sanitäter bereits in einer Region verwurzelt sind, das Studium zu ermöglichen.

Kritik an Standesvertretung

Außerdem kritisierte Römmelt die Kassenärztlichen Vereinigungen: Vor allem die Gewichtung innerhalb des Berufsstandes müsse überprüft werden. Dem stimmte auch der Bad Bockleter Bürgermeister und CSU-Kreisrat Wolfgang Back zu: "Das ist eine kleine Mafia, die alles in Richtung Ballungsräume zieht", ließ er seinem Ärger freien Lauf, denn: Er habe in seiner Gemeinde Investoren und Ärzte für ein Projekt gewinnen können, das letztendlich an der Kassenärztlichen Vereinigung gescheitert sei.
"Der Bedarf ist da, das ist unstrittig, aber ich glaube nicht, dass sich das so umsetzen lässt", kommentierte SPD-Kreisrat Jürgen Englert den Antrag Zimmermanns. Das Gremium war sich einig, dass die laufenden Bemühungen ausreichen und beschlossen deshalb keine weiteren Maßnahmen.