Bad Kissingen: Digitales Silo in neuer Backstube
Autor: Benedikt Borst
Reiterswiesen, Sonntag, 18. November 2018
Die Bäckerei Peter Schmitt hat für zehn Millionen Euro angebaut. Johannes Schmitt über pfeifende Azubis, teure Kühltechnik und smarte Silos.
Ein Müller wird Bäcker: Als sich Enrico Müller aus Elfershausen nach dem Abitur fragt, was er beruflich machen möchte, war ihm klar: "Nach zwölf Jahren Schule hatte ich keine Lust zu studieren." Der 20-Jährige beginnt eine Lehre bei der Bäckerei Peter Schmitt in Reiterswiesen. Einen kleinen Betrieb hätte er sich auch vorstellen können, nach einem Probearbeiten fiel die Wahl dennoch auf die Kissinger Großbäckerei. "Ich war überrascht, wie viel noch echte handwerkliche Arbeit ist", sagt Müller.
Die Arbeit in der Backstube bezeichnet Geschäftsführer Johannes Schmitt als semi-industriell. Das heißt, dass viele Maschinen im Einsatz sind, um den Mitarbeitern die Arbeit zu erleichtern und um große Menge zu produzieren. Aber nur wenige Waren werden komplett automatisiert gefertigt. "Es geht nicht ohne technischen Einsatz. Aber ich brauche Fachkräfte, die verstehen, was in einem Teig vor sich geht", betont der Bäckermeister und Betriebswirt. Egal wie gut die Technik ist, am Ende sorge der Mensch für die Qualität.
Pfeifen beim Backen
Schmitt führt das Familienunternehmen in dritter Generation. Wer sich mit ihm unterhält, der spricht mit einem Handwerker, der von klein auf seinen Beruf gelernt hat. Schmitt erzählt Anekdoten, etwa aus der Anfangszeit - die haben ihm Vater und Großvater erzählt. Nach dem Krieg waren Rohstoffe knapp und teuer, das Sortiment war beschränkt. "Die Auszubildenden mussten in der Adventszeit beim Plätzchenbacken immer pfeifen", sagt er. Warum? Damit der Meister gehört hat, dass die Lehrlinge nicht vom wertvollen Feingebäck naschen.
Schmitt ist auch ein Logistiker, der über die täglichen Abläufe in der Großbäckerei aus dem Effeff bescheid weiß. Er plant die Touren für die Lieferfahrzeuge, achtet darauf, dass Rezepte, Ruhe- und Backzeiten stimmen und tüftelt mit Ingenieuren an der Technik in der Backstube, damit die Maschinen exakt so produzieren, wie sie es sollen - zum Beispiel dass die Plunderfüllung saftig bleibt oder die Brotkruste schön glänzt.
In erster Linie ist Schmitt aber Geschäftsführer und - in den vergangenen Jahren - Bauherr. Er hat einen zweistelligen Millionenbetrag in den Firmensitz in Reiterswiesen investiert: Die Fläche der Backstube wurde verdoppelt und eine neue Brotabteilung aufgebaut, das Hygienezentrum mit moderner Spülanlage wurde erweitert, es gibt eine hausinterne Werkstatt für Instandhaltungen, neue Sozial- und Schulungsräume sowie Umkleiden. Die Mehlsilos sind zudem mit digitaler Technik ausgerüstet, so dass der Müller online sieht, wann er neues Mehl liefern muss. 1,8 Millionen Euro hat allein die Kühltechnik gekostet. Kühlräume spielen inzwischen eine ebenso große Rolle wie Öfen. Die Ware soll den Kunden möglichst frisch erreichen. "80 Prozent der Produkte werden in den Filialen gebacken", erklärt der Chef. Das bedeutet einen hohen logistischen Aufwand: Die Teige werden ein bis zwei Tage im Voraus produziert, anschließend gekühlt und dann ausgeliefert. Wer einen Einblick in die Backstube möchte, hat am Kinderbacktag am Sonntag, 25. November, dazu Gelegenheit.
Expansion begann am Kaufhaus Mützel
Das Bäckerhandwerk in Deutschland und in der Region hat sich rapide geändert. Nach Zahlen des zentralen Fachverbandes gibt es in Deutschland aktuell noch etwas mehr als 11 000 Meisterbetriebe, vor 60 Jahren waren es fünf Mal so viele. Die Zahl der Filialen ist dagegen konstant geblieben, so dass eine Bäckerei heute deutlich mehr Verkaufsstellen unterhält. "Die Filialisierung hat bei uns in den 1980ern begonnen", sagt Johannes Schmitt, Geschäftsführer der Bad Kissinger Bäckerei Peter Schmitt. 1981 entstand die erste Filiale außerhalb Bad Kissingens, und zwar in Euerdorf gegenüber vom Kaufhaus Mützel. "Das hat für entsprechend Frequenz gesorgt", sagt er.
Eine Filiale erwirtschaftet pro Kunden nur einen kleinen Umsatz, deshalb ist für sie ein Standort entscheidend, der viele Menschen dazu bringt, sich bei ihr mit Gebäck, Brot und Brötchen zu versorgen. Mitte der 1990er Jahre verfügte die Bäckerei Schmitt über fünf bis sechs Filialen. Inzwischen hat sich das Filialnetz vervielfacht. Das Familienunternehmen beliefert aktuell 43 Filialen im Umkreis von bis zu 70 Kilometern. Der Fuhrpark umfasst 15 Liefer-Lkws.