Zweiter Weltkrieg: Walter Buris Schicksalstag am heutigen Pflegeheim Schloss Römershag
Autor: Steffen Standke
Römershag, Dienstag, 12. April 2022
Als Zwölfjähriger erlebte der Würzburger den Einmarsch der Amerikaner im April 1945 im und am heutigen Pflegeheim Schloss Römershag hautnah mit. So hautnah, dass es ihn fast das Leben gekostet hätte.
Was, wenn die Granate gesessen hätte? Eine der vielen, die am 5. April 1945 auf Walter Buri herabregneten, der nahe des heutigen Pflegeheims Römershag in einem Wassergraben an der Bahnstrecke Jossa - Wildflecken kauerte. Dann wäre das Leben des zwölfjährigen Würzburgers früh aus gewesen. So wie das von seinem Lehrer, dem wenige Meter entfernt ein Splitter den Kopf zerriss. So aber kann der 89-Jährige berichten. Vom Kampf um Römershag und der Einnahme des Heims durch die Amerikaner. Und dass sein Leben an dem Tag noch zweimal am seidenen Faden hing.
Walter Buri war mit seiner Familie Ostern 1944 in die Rhön gezogen. Sein Vater befürchtete die Bombardierung Würzburgs; als Oberarzt der Wehrmacht an der Ostfront wusste er, was das bedeutete. Die Buris bezogen das Obergeschoss des ersten Hauses in Römershag, von Brückenau aus gesehen.
Der Vater, im April 1945 nach einer Fleckfieber-Infektion auf Genesungsurlaub bei der Familie, sah voraus, dass die heranrückenden Amerikaner dieses Haus als eines der ersten beschießen würden. Also wichen die Würzburger kurzfristig in den entlegenen Pilsterhof aus.
Von dort wagten sich Walter Buris Mutter und Lehrer Hermann Gilbert am 5. April ins Tal, zur "Kreisanstalt für Unheilbare". Der Vater blieb am Pilsterhof; die SS hätte ihn womöglich als Deserteur aufgeknüpft.
Die Buris besaßen engen Kontakt zu den Erlöserschwestern, die sich um die Bewohner der "Kreisanstalt" kümmerten. Ihre Würzburger Firma stellte Kirchenbedarf her. Der zwölfjährige Walter, seine Mutter und Lehrer Gilbert flüchteten in den Keller, als ein Geballere begann. Eine Granate schlug offensichtlich nebenan ein. Der Putz platzte von den Wänden, hüllte den Raum in Staub. Panik, Atemnot, kaum mehr Sicht - die Insassen flüchteten nach draußen, der Zwölfjährige, seine Mutter und der Lehrer über einen hinteren Durchlass hin zum Bahndamm.
SS-Panzer fordern U.S. Army
Wo sie den andauernden Beschuss der U.S. Army durchlitten. "Es war lang, unendlich lang", erinnert sich der 89-Jährige. Bestimmt eineinhalb bis zwei Stunden hätten die Amerikaner das Dorf mit Granaten "bepflanzt". Was mindestens das Leben Hermann Gilberts forderte.
Walter Buri hat nachgeforscht, was in jenen Stunden in der Nähe geschah. Die Amerikaner, die zuvor kampflos Brückenau genommen hatten, hatten wohl einen Panzer mit weißer Fahne nach Römershag geschickt. Zwei Panzerwagen einer versprengten SS-Einheit hatten sich in einem bäuerlichen Anwesen versteckt, feuerten auf das ungedeckte Fahrzeug. Der U.S.-Panzer zog sich zurück; die SS-Sturmgeschütze über die Sinnbrücke nach Oberriedenberg ebenso.