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Zeitlofs: Mit dem Jagdpächter im Revier


Autor: Ulrike Müller

Zeitlofs, Freitag, 14. November 2014

Jäger sind umstrittene Zeitgenossen. Ihr Image reicht von Tiermörder bis hin zu wundersamen Gestalten, die nächtelang im Wald ausharren. Doch die wenigsten wissen, was Jäger eigentlich alles leisten. Ein Besuch bei Familie Humburg.
Vater und Tochter: Julia und Harm Humburg halten nach Wild Ausschau. Fotos: Ulrike Müller


Es ist Drückjagd in Zeitlofs, Familie Humburg hat geladen. Freunde aus Südtirol und aus Schleswig-Holstein, woher Jagdpächter Harm Humburg stammt, bevölkern das imposante Jagdhaus, das direkt am Ortseingang steht. Humburg hat es von der Familie von Thüngen gepachtet. Es ist sein Wochenendhaus - oder "meine zweite Heimat." Hier erholt er sich von seinem Job in der Geschäftsleitung eines großen Süßwarenunternehmens aus Frankfurt.

Harm Humburg dreht den Zündschlüssel seines Geländewagens herum. Es geht ins Revier. Etwa 500 Hektar ist das Gebiet groß, für das er als Jagdpächter zuständig ist. Es reicht von Rupboden bis an die hessische Landesgrenze. Humburgs Blick geht nach links. Rauch steigt aus einem der Schornsteine im Ort. "Ich schaue nach dem Wind", erklärt Humburg, während er Gas gibt. "Der Wind ist für einen Jäger das Wichtigste."

Allein in der Kälte der Nacht

Hinten im Wagen sitzt seine Tochter Julia. "Man muss das einfach mögen", sagt sie. Und dann stapft die 34-Jährige über eine matschige Wiese. Mit ihrem Vater klettert sie auf einen Hochstand. Sie hat ihr Fernglas dabei. "Manchmal sieht man die ganze Nacht kein einziges Tier", erzählt sie. Und dann sitzt sie da. Allein. Im Dunkeln. In der Kälte. "Mir gibt das eine innere Ruhe", sagt Julia.

Zurück im Jagdhaus. Harm Humburg betritt den Raum. Er legt seinen Hut auf den Tisch. Die Tafel, könnte man schon fast sagen. Sieben Männer sitzen in gemütlicher Runde beisammen. Humburg setzt sich dazu. "So, jetzt werden die Ansitze verteilt", sagt er, "wer heute Abend wo sitzt." Zustimmendes Gemurmel. Dann macht der Hut des Hausherrn die Runde, und jeder zieht einen Zettel. "Reutkanzler", "Friesensitz" oder "Karlchen" heißen die Jagdsitze in Humburgs Revier, und hinter jedem Namen steckt eine Geschichte. "Der Friesensitz heißt so, weil da immer der Wind so heftig weht", erklärt Humburg.

Die Sache mit dem Töten

"Waidmannsheil!", schallt's durch den Raum. Einer der Jäger verabschiedet sich. Die Runde gibt den Gruß zurück. Es ist ein eigenwilliges Völkchen mit eigener Sprache und eigener Kultur, die die Jahrhunderte überdauert hat. "Man wird damit groß", sagt Humburg. "Ich habe das von meinem Großvater. Der war auch Jäger."
Im Jagdzimmer, wo Humburg seine Trophäen angebracht hat, hängt eine Holztafel, die er von eben diesem Großvater bekommen hat. "Das ist des Jägers Ehrenschild, daß er beschützt und hegt sein Wild", ist darauf zu lesen. "Waidmännisch jagt, wie sich's gehört, den Schöpfer im Geschöpfe ehrt." Humburg hält diese Tafel in Ehren und auch die Worte darauf.

"Auch bei der Jagd gehe ich respektvoll mit den Tieren um", erklärt er. "Ich schieße nicht die Leitbache, ich schieße niemals das Leittier. Das ist Jagdkultur!" Es klingt wie eine Verteidigung - und ist es wohl auch, denn natürlich kennt der Jagdpächter die Vorbehalte in der Bevölkerung. Die Kritik wäre wohl nicht so groß, wäre da nicht die Sache mit dem Töten.

"Bei den Jägern ist es das Schlimmste, wenn jemand sagt: Der ist ein Schießer", sagt Humburg. Auch an seinem Tisch saßen schon solche, denen der Adrenalin-Kick mehr bedeutete als eine verantwortliche Jagd. Humburg hat sie nicht wieder eingeladen. "Wir töten ja nicht um des Tötens willen", erklärt er. "Wir bringen den Wildbestand in Ausgleich."

Geschenk zur Silberhochzeit

Tatsächlich denkt in einer Gesellschaft, die die heimischen Wildtiere eher aus dem Fernsehen als aus freier Wildbahn kennt, kaum einer darüber nach, wer eigentlich dafür sorgt, dass die Wildschweine nicht überhandnehmen. Und wer die totgefahrenen Rehe von der Straße räumt. Das alles gehört zu den Aufgaben eines Jagdpächters.

Mindestens 50 Prozent des Nachwuchses müsse er erlegen, damit der Wildbestand nicht explodiere, sagt Humburg. "Bei Wildschweinen gibt es keine Auflagen. Da soll man so viele schießen, wie man kriegen kann. Und sie werden trotzdem immer mehr." Dabei bestimmt Humburg nicht selbst, wie viele und welche Tiere in seinem Revier gejagt werden. Die Abschussquote legt die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Bad Kissingen fest.

"Ich glaube, dass wir Jäger einen Fehler gemacht haben, indem wir uns zu lange versteckt haben. Wir hätten mehr an die Öffentlichkeit gehen sollen mit dem, was wir tun", sagt Humburg. Seine Passion hat er an zwei seiner vier Töchter weitergegeben - und an seine Frau. Nach 25 Jahren Ehe machte Elvira Humburg ihren Jagdschein


Die Aufgaben eines Jagdpächters:

Jagdgenossenschaft
Wer Wald und Flur besitzt, hat das Jagdrecht. Weil die meisten Grundbesitzer kein Interesse daran haben, schließen sie sich zu einer Jagdgenossenschaft zusammen. Die Genossenschaft organisiert die Jagd - oder sucht einen Pächter, der diese Aufgabe für die Grundstückseigentümer übernimmt.

Jagdpächter kann werden, wer den Jagdschein länger als drei Jahre besitzt. Die Pacht eines Reviers ist eine langfristige Angelegenheit. In der Regel werden Niederwildreviere (zum Beispiel Hasen, Füchse oder Rehwild) für neun Jahre und Hochwildreviere (zum Beispiel Hirsche oder Wildschweine) für zwölf Jahre verpachtet.

Jagdaufseher Weil der Jagdpächter unter Umständen nicht ständig erreichbar ist, setzt er Jagdaufseher ein, die in seinem Revier Ordnung halten.

Aufgaben Die Hauptaufgabe des Jagdpächters ist es, einen artenreichen und gesunden Wildbestand zu erhalten. Neben Abschuss und Verarbeitung des Wildes muss der Jagdpächter Schaden, den sein Wild anrichtet, bezahlen und den Zustand von zum Beispiel Feldern und Wegen wiederherstellen. Er ist für die Nachsuche nach Wildunfällen zuständig. Auch das Anlegen von Wildäckern, das Setzen von Zäunen oder das Anpflanzen von Hecken gehören dazu.