Wenn eine Oper in Bad Brückenau die Kinder verzaubert
Autor: Thomas Ahnert
Bad Brückenau, Mittwoch, 20. Februar 2019
Das Bayerische Kammerorchester bringt mit "Bastien und Bastienne" als kindgerechte Oper den Grundschülern in Bad Brückenau das klassische Element näher. Im Mittelpunkt steht die Liebe und das Liebesleid.
Wie bringt man Kinder in die Oper? Also nicht auf die Bühne, sondern ins Parkett? Die "Macher" vom Bayerischen Kammerorchester (BKO) Bad Brückenau wissen das: Sie organisieren eine kleine Oper, lassen sie kindgerecht aufbereiten und laden dann die Klassen der Grundschulen ein, das Ergebnis kennenzulernen.
Was 2013 mit zwei Konzerten in Bad Brückenau begann, hat sich inzwischen zu einer kleinen Tournee durch den Landkreis mit insgesamt fünf Auftritten erweitert. Jetzt war Premiere im zweimal voll besetzten König-Ludwig-I.-Saal im Staatsbad. Wolfgang Amadeus Mozart stand auf den Programm.
Nun ist ausgerechnet das einaktige Singspiel "Bastien und Bastienne" des zwölfjährigen Mozarts eigentlich für Kinder denkbar ungeeignet. Denn da passiert so gut wie nichts. Da sind zwei junge Leute, in diesem Fall Schäfer und Schäferin, die sich lieben, aber nicht so recht wissen, wie sie damit umgehen sollen, und in Zweifel geraten. Dummerweise fragen beide unabhängig voneinander den Zauberer. Wenn der sein verschlagenes Maul gehalten oder ihnen einfach nur geraten hätte: "Dann heiratet halt!", hätte es das Öperchen natürlich nicht gegeben.
Intriganter Alles- und Besserwisser
Aber er muss ja den intriganten Alles- und Besserwisser geben, der Zweifel an der Treue der beiden nährt und ihnen rät, durch Abweisung und kalte Schulter die Eifersucht des anderen zu wecken. Das hätte durchaus schiefgehen können, aber am Ende merken Bastien und Bastienne, dass der Zauberer sie ziemlich verladen hat. Glücklich sinken sie sich in die Arme. Aber die Betonung liegt auf "eigentlich ungeeignet".
Natürlich kann man sich fragen, was Sechs- bis Zehnjährige überhaupt mitbekommen, wenn unmittelbar vor ihnen gesungen und musiziert wird. Für Pessimismus gibt es keinen Grund. Auch wenn die Kinder nicht wissen, dass das barocke Schäferspiel eine Metapher für die Liebe ist, merken sie sehr schnell, dass es genau darum geht. Zumal man sagen muss, dass die Produktion des "münchner puzzletheaters" außerordentlich verdeutlichend geraten ist, dass sie die Kinder auf Augenhöhe anspricht, ohne das Werk zu banalisieren. Es sind tatsächlich viele kleine Puzzleteile, die sich zu einem verstehbaren Gesamtbild zusammenfügen. Wenn Bastienne zu Beginn mit der - köstlich bedienten - Handpuppe eines Lammes singend auf die Bühne kommt und ihm ihr Leid klagt, dann ist das eine Situation, die Kinder sofort verstehen, die sie selbst kennen, weil sich alle schon mal bei ihrer Puppe oder ihrem Batman ausgeweint haben. Wenn der Zauberer Colas auf die Bühne poltert, erkennen sie sofort die Hohlheit dieser Figur an der übertriebenen Gestik, an den rollenden Augen, an der verschwurbelten Rhetorik. Und es funktioniert ja bei ihm auch nicht jedes Zauberkunststück.Und wenn Bastien seiner Geliebten plötzlich die heftigsten Vorwürfe macht, dann ist das ein vertrauter Gefühlsausbruch.
Handlung im Verkleinerungsglas
Aber es war auch geschickt, eine zweite Handlungsebene aufzubauen, und zwar auf einem rot verhüllten Tisch, der plötzlich auf die Bühne kam, ohne dass ihn jemand zu tragen schien - gut, zwei Menschenfüße schauten unten raus. Auf ihm konnte nicht nur Colas sein sich selbst umblätterndes Zauberbuch ablegen, sondern es wurde zur Bühne für vier Stabpuppen: Bastien und Bastienne in klein und zwei Galane, die Bastienne den Hof machen - wie sich Bastien das einbildet. Das war für die Kinder besonders spannend, weil sie hier nicht nur die Handlung im Verkleinerungsglas sehen, sondern sich auch über die Bewegungen der Figuren amüsieren konnten. Da waren sie wirklich gefesselt. Und sie erfuhren schon vor dem Ende, wie die Sache ausging: Die Puppen machten den beiden Menschen vor, was zu tun war: sich zu umarmen.
Natürlich war es gut für das Verständnis, dass im Singspiel auch längere gesprochene Passagen vorkommen dürfen. Aber man muss auch sagen, dass die drei Gesangspartien außerordentlich gut besetzt waren, mit Leuten, die um den Wert einer guten Artikulation wissen: zum einen das Liebespaar mit Yvonne Prentki, einem Koloratursopran mit einer ganz lockeren Stimme, die trotzdem tiefgründige Emotionen gestalten kann; und mit Michael Braun, für den man den Begriff des Koloraturtenors erfinden müsste, weil auch er so beweglich singen kann, als würde er ganz natürlich sprechen - was den Kindern das Verständnis erleichterte. Und zum anderen der Bariton Olivier Thomazo, ein echtes komödiantisches Talent, der einen wunderbaren Hohltöner Colas sang. Dazu musizierte ein Streichquintett gemeinsam mit Flöte, Oboe und Horn des Brückenauer Kammerorchesters, das Carlos Dominguez-Nieto vom Spinett aus leitete. Die Gutlaunigkeit der Musik übertrug sich ungebrochen auf das Publikum.