Waschen, schneiden, föhnen - aber nicht mehr für 25,90 Euro
Autor: Ulrike Müller
Bad Brückenau, Freitag, 02. Januar 2015
In Bayern sorgt ein allgemein verbindlicher Tarifvertrag dafür, dass der Mindestlohn von 8,50 Euro längst gezahlt wird. Ein Besuch in Bad Brückenauer Friseursalons.
Dichte Flocken fallen vor den Scheiben des Win tergartens im Friseursalon "Kehm" auf die Erde. Drinnen wuselt es emsig. Zwischen den Jahren herrscht Hochbetrieb bei den Friseuren - und zwar nicht nur in Bad Brückenau, sondern überall im Landkreis Bad Kissingen. Von morgens bis abends stehen die Friseurinnen am Kunden. Sie waschen und schneiden, färben und föhnen. "Es ist ein schöner Job", sagt Daniela Kehm. Dieser Job hat aber auch seinen Preis.
Kehm arbeitet zusammen mit ihrer Schwester Carina Kehm im Salon in der Unterhainstraße. Der Familienbetrieb hat drei weitere Standorte: im Staatsbad, im Kurstift und in Wildflecken. 13 Mitarbeiter und vier Auszubildende arbeiten und lernen hier. Für sie gilt ab 1. Januar der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Eigentlich.
Denn in Bayern verdienen Beschäftigte im Friseurhandwerk längst Min destlohn - vorausgesetzt, die Betriebe halten sich an den allgemein verbindlichen Tarifvertrag für Friseure.
Jährliche Erhöhungen
"Friseure werden oft als negatives Beispiel hingestellt, wenn es um die Löhne geht", erklärt Christiane Schießer, Obermeisterin der Friseur-Innung Bad Kissingen. "Dabei liegen wir bei den Löhnen einigermaßen im Mittelfeld, zumindest hier bei uns in Bayern." "Wer heute gute Mitarbeiter hat und die auch be halten will, muss über Tarif bezahlen", zeigt Schießer die Situation im Landkreis auf. In an deren Bun desländern sei das nicht un bedingt der Fall.
Der Tarifvertrag sei gestaffelt, die Löhne würden immer im Mai angehoben, sagt Schießer.
Und dann nennt sie ein paar Bei spiele: Seit 2013 bekomme die Lohngruppe 2 mindestens 8,61 Euro pro Stunde. Im Mai 2015 werden es 9,24 Euro sein. Lohngruppe 3 liege aktuell bei 9,61 Euro und steige im Mai auf 9,94 Euro. "Nur die Lohngruppe 1 profitiert vom Mindestlohn", sagt Schießer. Das seien aber nur wenige Beschäftigte, nämlich die, die im ersten Jahr nach der Gesellenprüfung sind. Trotzdem begrüßt Schießer die Einführung des Mindestlohns. Und auch die Schwestern Daniela und Carina Kehm sind für eine gerechte Entlohnung.
Der Wert der Dienstleistung
"Es hat sich in den letzten Jahren verschoben, wofür die Leute be reit sind zu zahlen", sagt Daniela Kehm und nennt gleich ein Beispiel. "Die Leute sind bereit, viel Geld für digitale Medien auszugeben." Dass auch Dienstleistungen einen Wert haben, sei noch nicht bei allen angekommen.
"Es wäre schön, wenn da ein Umdenken stattfinden wür de", sagt Kehm.
Denn auch wenn der Min destlohn kein Thema ist, so steigen die Kosten - nicht nur für die Kehms, sondern für alle Friseurbetriebe, die sich an den Tarifvertrag halten. "Die Kunden sehen, dass meine Mädchen den ganzen Tag da sind", erzählt Gabriele Hamelmann vom gleichnamigen Friseursalon in der Sinnaustraße. Sie hält sich - ge nauso wie Irina Knauf von "Iri nas Hairstyling Studio" in der Brunnengasse - an den Ta rifvertrag. Irgendwie müssen diese Kosten wieder reingeholt werden - ein heikles Thema.
Kunden reagieren zumeist positiv
"Wir haben die Preise im Sommer um drei Prozent erhöht", erzählt Carina Kehm. Anfang des Jahres kämen im Durchschnitt noch einmal fünf Prozent drauf.
"Die Resonanz ist eigentlich positiv", freut sich Daniela Kehm über das Verständnis der Kunden. "Ich habe nichts dagegen", sagt eine Kundin, die eben noch Schaum in den Haaren hat te und nun durch die Scheiben die winterliche Landschaft betrachtet. "Im sozialen Bereich, in der Pflege und eben auch im Handwerk wird einfach zu wenig bezahlt", sagt die Frau, und eine andere Stammkundin ergänzt: "8,50 Euro ist ja in der heutigen Zeit nicht viel."
Was viel, was wenig und was gerecht ist - diese Fragen sind gar nicht so einfach zu beantworten. Über Tarifstreike wie bei den Piloten können die Kehm-Schwestern jedenfalls nur Schmunzeln.