Von Krebsen und Terroristen
Autor: Julia Raab
Schondra, Freitag, 01. Juli 2016
Über 80 Wanderer schlossen sich Rainer Betz an, um bei einer Mühlenwanderung des Bund Naturschutz im Schondratal viel Interessantes zu erfahren.
"Eisvogel, Schwarzstorch, Graureiher, europäischer Flusskrebs und die seltene Perlenmuschel", so beschreibt Rainer Betz die stattliche Tierwelt in und um Münchau. Doch das ist lange nicht alles. Denn neben Flora und Fauna waren auch die geschichtsträchtigen Mühlen an der Schondra Thema der Mühlenwanderung, die vom Bund Naturschutz organisiert wurde. Betz, ehemaliger Förster, führte etwa 80 Interessierte durch das idyllische, abgelegene Tal und erzählte Anekdoten aus seinem langen Berufsleben als Förster und Naturliebhaber und weckte auch bei den jungen Teilnehmern Interesse an Natur und Umwelt.
Von den ursprünglich 30 Mühlen im gesamten Schondratal, liegen etwa zehn im ehemaligen Revier von Rainer Betz. Davon seien nur noch sehr wenige in Betrieb oder bieten heute Städtern einen idealen Rückzugsort von dem hektischen Berufsalltag in der Großstadt, erklärt Betz.
Die älteste zu erwähnende Mühle ist die Köppesmühle (oder Köpfchenmühle), die aus dem Jahre 1602 stammt und ein Stück oberhalb Münchau liegt. Der Ort selbst wurde im Jahr 777 das erste Mal erwähnt und beherbergt die Michelsmühle aus dem Jahre 1740, in der auch heute noch - zu Schauzwecken - mit Wasserkraft gesägt werden kann.
Die Wanderung führte an der Schondra entlang zur Scheuermühle, die eine ganz besondere Geschichte erzählt. Im Jahre 1698 erbaut, liegt sie genau an der Grenze zu Thüngen und kann heute noch - sofern der Besitzer das nutzt - Strom erzeugen. Doch die eigentlich interessante Geschichte der Mühle, erzählt Betz, passierte in den 1970er Jahre, zur Zeit der Roten Armee Fraktion (RAF) um Baader und Meinhof.
Bundesweit wurde damals nach den Terroristen, die Raubüberfälle und Anschläge verübten, gefahndet.
Als Förster war Betz im Wald unterwegs und sah eines Tages ein unbekanntes Auto im Wald stehen, das er einen Tag später der Polizei meldete. Beim Öffnen der Autotür wurden Geldscheine und ein Abschiedsbrief gefunden, der von einem Mitglied der RAF stammte. Doch auch nach langer Suche mit Hubschraubern und Spürhunden blieb der Terrorist unauffindbar. Betz vermutete damals schon, was sich einige Jahre später bewahrheitete: Die Überreste des gesuchten RAF-Mitglieds wurden eines Frühlings am Zaun in der Nähe der Scheuermühle gefunden. Der grausige Fund bestätigte den Selbstmord des Terroristen mit Hilfe von Rauschmitteln.
Aufzucht der Flusskrebse
Nach der fesselnden Geschichte aus dem Leben des Altförsters ging die Wanderung zurück Richtung Münchau und schließlich über den eisernen Steg auf die andere Talseite, von der aus das Flößen von Meterholz vor über hundert Jahren eindrücklich erklärt wurde. "Gewässert wurde nur sonntags", gibt Betz zu bedenken. Dann wurde die Schondra gestaut und das Holz bis nach Gräfendorf geflößt. Dort wurde es zusammengebunden und weiter flussabwärts nach Gemünden geflößt. Nur wenige Meter weiter im Wald versteckt liegt ein Amphibienteich, von denen es viele in der Umgebung gibt, und die von den Förstern zusammen mit dem Bund Naturschutz angelegt werden. Dieser Teich werde zur Aufzucht von europäischen Flusskrebsen verwendet, so Betz. "Vor über 20 Jahren habe ich reinrassige Krebse aus dem Hegkopfsee gekauft und mit der Zucht begonnen", meint er. Sie haben sich gut vermehrt und werden von Zeit zu Zeit ausgesetzt. Doch zu schaffen mache der amerikanische Flusskrebs, der die Krebspest verbreitet und so die europäische Art gefährdet.
Auch die bis zu 100 Jahre alten Perlmuscheln gebe es noch ganz selten in der Schondra. Zur Erhaltung der Muschelart würden den Forellen Glochidien in die Kiemen gesetzt, in der Hoffnung, dass daraus Perlmuscheln entstehen, die das Wasser reinhalten und filtern. "Nur jede hundertste trägt auch eine Perle in sich", so Betz.