Vier Pfarrer rocken den Herbst
Autor: Rolf Pralle
Bad Brückenau, Dienstag, 10. Oktober 2017
Die Pfarrer beider Konfessionen sind immer für Überraschungen gut. Jüngstes Beispiel war ein ökumenischer Rockgottesdienst in der Friedenskirche.
"Dicht wie das Leben, nachdenklich wie der Herbst" sollte die
Veranstaltung sein. Das hatte der Bad Brückenauer Pfarrer Gerd Kirchner im
Vorfeld versprochen. Und die Erwartungen des Publikums, soviel schon einmal
vorweg, wurden voll und ganz erfüllt. Denn was der Geistliche auf Gitarre
und Mundharmonika zusammen mit seinen Amtskollegen Katharina Eberlein-Braun
(Gesang), Thomas Braun (E-Gitarre) und Armin Haas (Kontrabass) zu Gehör
brachte, das wirkte bei den Besuchern noch lange nach.
"Veränderungen" lautete das Thema des Abends. Und dieser Begriff wurde von
den Akteuren auf vielfältige Art und Weise interpretiert. Dabei ließen die
Geistlichen ein breites Spektrum von ganz individuellen Wahrnehmungen
erkennen. Ein gutes Beispiel für den Wandel sei der Herbst, der sich
einerseits in satten und vollen Farben zeigt, gleichzeitig aber in eine
dunklere und leisere Zeit hinüberleitet.
Gewidmet war der Rockgottesdienst unter anderem dem kanadischen Musiker,
Sänger, Text und Arrangeur Neil Young. Der heute 71-Jährige hat ein
gehöriges Stück moderner Musikgeschichte mitgeschrieben. Als Mitglied
mehrerer Bands drückte er den unterschiedlichen Formationen seinen Stempel
auf. Und auch als Solist war er in diversen Stilrichtungen äußerst erfolgreich. Stücke wie "Heart of Gold" gehören fast schon zu Evergreens und sind gern gecoverte Nummern geworden.
Den örtlichen Pfarrern merkte man vom ersten Ton an ihre Verehrung für den
"großen, alten Mann" der Rock-, Country- und Folkmusik an, woraus Thomas
Braun auch kein Geheimnis machte: "Neil Young war das Idol unserer Jugend".
Bei kaum einem Anderen seien die musikalischen Veränderungen so augenfällig
gewesen wie bei ihm.
Aber eine Neuordnung im Leben muss keineswegs immer öffentlich über die
Bühne gehen. Das wurde in einer kurzen Andacht, die Armin Haas hielt,
deutlich. Jedermann sei regelmäßig ganz persönliche Veränderungen
unterworfen, die er mit allen Konsequenzen tragen müsse. Das sei zwar
manchmal schmerzlich, gebe darüber hinaus dem Menschen aber erfahrungsgemäß
immer wieder neue Kraft.
Bereichert wurden die intensiven musikalischen Darbietungen mit Lesungen von
Texten des Theologen, Priesters und Schriftstellers Lothar Zenetti, den
viele Experten als Meister der Sprache bezeichnen. Mit wenigen Worten bringt
Zenetti unsere Träume, unsere Sehnsucht und unsere Wünsche auf den Punkt,
und zwar ganz ohne Phrasen, sondern eher mit einer Prise tiefgründigem
Humor. Nie lässt er dabei die Zuversicht vermissen.
Was für die weltweite Pop- und Rockgemeinde eine prägende Zeit lang Crosby,
Stills, Nash and Young waren, das waren in der Friedenskirche an diesem
Abend für die Bad Brückenauer die Geistlichen Braun, Kirchner, Haas und Eberlein-Braun. Ihre ganz eigenen Interpretationen der Young-Stücke vermittelten in Text und Ton gefühlvoll
die Tiefe der einzelnen Nummern. Und wenn die Sängerin in einigen Passagen
etwas leiser wurde, wussten sich auch ihre männlichen Kollegen mit den
Instrumenten in der Lautstärke entsprechend zurückzunehmen. Ansonsten
scheuten sie sich aber nicht, auch schon einmal ganz ordentlich in die
Saiten zu greifen, denn neben Spielfreude gelangte auch die eine oder andere
unerwartete Interpretation zu Gehör.
Hatte man vorher im Verlauf des ökumenischen Gottesdienstes manchmal die
sprichwörtliche Stecknadel fallen hören können, so gab es für das Publikum
am Ende der Veranstaltung fast kein Halten mehr. Tosender Applaus hallte
durch das gut besuchte Kirchenschiff. Da war die geforderte Zugabe nach den
"Standing Ovations" nur die logische Konsequenz.
Die Initiatoren konnten sich außerdem über einen schönen Nebeneffekt freuen.
Bei der Veranstaltung kamen an Spenden rund 300 Euro für die Organisation
"Ärzte ohne Grenzen" zusammen.