Umstrittener Länderwechsel: Als Züntersbach zu Bad Brückenau wollte
Autor: Steffen Standke
Züntersbach, Freitag, 11. Februar 2022
Vor 45 Jahren wurde der kleine Ort an der Landesgrenze zur hessischen Großgemeinde Sinntal eingemeindet. Viele Einwohner hätten sich lieber einen Anschluss an die Kurstadt gewünscht. So bewerten Beteiligte von damals die Sache heute.
Groll wegen des geplatzten Traums? Hegt Hans Müller aus Züntersbach längst nicht mehr. Der Kampf gegen die Eingemeindung seines Heimatortes nach Sinntal ist mehr als 45 Jahre her. Der letzte Züntersbacher Bürgermeister (1970 bis 1976) drängte damals auf einen Wechsel ins bayerische Bad Brückenau. Und scheiterte. Heute sieht der 84-Jährige die Dinge entspannter. Aber seine Überzeugung ändert er nicht.
Die 1970er-Jahre - sie waren die große Zeit der Gebietsreformen und Gemeindezusammenschlüsse. Nicht nur im Freistaat Bayern, sondern auch im benachbarten Hessen. So lud der Landrat des damaligen Landkreises Schlüchtern Vertreter beieinander liegender Gemeinden schon im Mai 1969 zu "Ausspracheabenden" ein.
Im Grunde wurden die Ortspolitiker informiert, dass sich Klein- und Kleinstgemeinden zusammen- beziehungsweise an einwohnerstarke Kommunen anschließen und somit ihre Selbstverwaltung und eigene Gemeindevertretung aufgeben mussten. Sie sollten ausloten, wer mit wem am besten kann.
Einer von fünf "jungen Wilden"
Hans Müller war erst 1968 als einer von fünf "jungen Wilden" in die Züntersbacher Gemeindevertretung eingestiegen. "Als junge Leute hatten wir andere Ideen", sagt er. Die wesentlichste war, so lange wie möglich selbstständig zu bleiben, um sich im Zuge einer möglichen Länderreform dem bayerischen Brückenau anzuschließen. Das Hauptargument: Züntersbach sei schon immer mehr zur Kurstadt als zum Beispiel nach Sterbfritz oder dem noch weiter entfernten Schlüchtern orientiert gewesen.
Ein Schreiben vom 22. Januar 1971 an den dortigen Landrat listete mehrere Gründe für diese Sichtweise auf. "Die Einwohner tendieren in ihren Einkaufsgewohnheiten überwiegend nach Brückenau", hieß es dort. Die Mehrzahl der Arbeitsplätze läge in der benachbarten Stadt (101 zu 76 in anderen Gemeinden).
Hans Müller selbst lernte beispielsweise beim Sägewerk Vorndran, das damals noch in Brückenau seinen Sitz hatte. Er arbeitete dann als Industriekaufmann in einem Frankfurter Holzgroßhandel, ehe er ab 1968 am Forstamt in Altengronau beschäftigt war.
Die "Verhaltensweise der Bevölkerung" lasse "eine überwiegende, generationsbedingte Verbundenheit mit Bad Brückenau erkennen", hieß es in dem Schreiben weiter. Zumal die Züntersbacher dort jegliche Art von Kultur- und Freizeiteinrichtungen wie Kinos, Konzerthalle, Schwimmbad und Kureinrichtungen nutzen würden. Auch für medizinische Behandlungen ging man nach Bad Brückenau.