Seele des Landstrichs im Fokus
Autor: Rolf Pralle
Bad Brückenau, Mittwoch, 28. März 2018
Tradition hat das Mysterienspiel in Brückenaus Friedenskirche. Am Karsamstag , 20 Uhr, geht's um Geschichten rund um die ehemalige Rhöner Bahnstrecke.
"Die Bahn - der letzte Zug?" - dieser Frage will der evangelische Pfarrer Gerd Kirchner in dem Stück, das er wie immer selbst geschrieben hat, zusammen mit seinen Laiendarstellern nachgehen. Die Idee war dem Geistlichen nach einem Treffen mit einem Freund im Staatsbad bei seinem Fußmarsch zurück in die Stadt gekommen: "Auf meinem Weg habe ich mir in Gedanken vorgestellt, was auf und an der Trasse durch das Sinntal in der Vergangenheit wohl so alles passiert ist, welche Schicksale sich hier abgespielt haben".
Seine spontane Eingebung ließ Kirchner einfach keine Ruhe, er begann mit intensiven Recherchen. Hilfestellung leisteten ihm dabei in erster Linie der Hobby-Eisenbahner und Experte Jürgen Lieb sowie die Ur-Brückenauerin Else Prause. Während Lieb über ein umfangreiches Archiv mit zahllosen Texten, Fotos und Dokumenten verfügt, hat die 92-jährige Ehrenbürgerin der Stadt noch viele Ereignisse aus der Vergangenheit in persönlicher Erinnerung.
Wichtige Rolle des Zugverkehrs
Erst im Verlauf mehrerer Gespräche, so Kirchner, sei ihm deutlich geworden, welche Rolle der Zugverkehr einmal in der Region gespielt hat. "Bisher hatte ich geglaubt, es sei nur ein Schienenstrang gewesen, der von Punkt A nach Punkt B führte", erinnert sich der Pfarrer, der von den Fachleuten aber schnell eines Besseren belehrt wurde. So habe es allein 20 Weichen mit Abzweigungen zu den ehemaligen Firmen und Fabriken entlang der Trasse in der Rhön gegeben. Zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges seien am Bad Brückenauer Bahnhof bis zu 60 Beschäftigte ihrer Arbeit nachgegangen. "Solche Geschichten gehören einfach zur Seele des hiesigen Landstrichs", schildert Kirchner die für ihn völlig neuen Eindrücke.Er kann sich nach eigenem Bekunden sehr lebhaft vorstellen, welch imposantes Bild es gewesen sein muss, "als die Schönen und Reichen der Welt zur Kur nach Bad Brückenau kamen oder sich gekrönte Häupter ein Stelldichein gegeben haben - damals natürlich alles bei Anreise mit der Bahn". Teils belustigt, andererseits aber auch wieder sehr nachdenklich spricht der Pfarrer von den Dingen, die er bei der Konzeption seines Mysterienspiels erfahren hat. Dabei sei er leider nicht nur auf positive Aspekte gestoßen. Denn auch zu Zeiten militärischer Auseinandersetzungen habe die Bahnstrecke eine bedeutende Rolle gespielt. So sei beispielsweise Wildflecken nicht nur durch sein riesiges Munitionsdepot de facto "ein Logistikzentrum der Kriegsgeschichte" gewesen. Vergessen dürfe man darüber hinaus nicht, dass einige wichtige politische Entscheidungen, die die Bundesrepublik geprägt haben, seinerzeit im Staatsbad getroffen worden sind.