Riedenberg: Auf jedes einzelne Kind eingehen
Autor: Ulrike Müller
Riedenberg, Montag, 16. Dezember 2019
Ari* kommt in seiner Klasse nicht zurecht. Für Kinder wie ihn bietet das Förderzentrum St. Martin eine Intensivgruppe an. Dort wird er sozial und emotional aufgefangen.
Er wirkt wie ein kleines Häufchen Elend. Ari* (Name von der Redaktion geändert), acht Jahre alt, sitzt allein an seiner Schulbank. Lustlos hält er den Füller in der Hand. "Wohnung" und "Wohnmobil" steht an der Tafel. Eric Duschek übt heute Wortstämme mit den Kindern. Im Moment aber sitzt nur Ari auf seinem Platz. Die anderen Kinder arbeiten in anderen Klassen oder haben einen anderen Termin.
Doch das macht nichts, denn als Sozialpädagoge ist Duschek nur für die Intensivgruppe da. Sie ist wie ein Anker für sieben Schüler der St. Martin Schule, die Probleme in ihrem sozialen und emotionalen Verhalten zeigen. Ari zum Beispiel ist einfach sehr müde heute. Er habe wieder Albträume gehabt und nur sehr wenig geschlafen, erzählt der kleine Mann leise. Sein Betreuer weiß, auch Schreianfälle gehören bei ihm dazu. Dann ist er fast nicht zu bändigen.
In allen Altersgruppen und in allen Schulformen kommt es vor, dass Kinder aus der Reihe fallen. Haben sie es vor allem im sozial-emotionalen Bereich schwer, so gibt es im Landkreis keine richtige Anlaufstelle für sie. Manche Eltern schicken ihre Kinder in die Fördereinrichtung Carl Sonnenschein nach Schweinfurt oder noch weiter in die Elisabeth-Weber-Schule in Würzburg.
Daher richtete der Landkreis Bad Kissingen gemeinsam mit der Regierung von Unterfranken ab dem Schuljahr 2015/16 eine Stütz- und Förderklasse ein. Schüler aus Münnerstadt und Hammelburg zum Beispiel fuhren jeden Morgen mit dem Sammeltaxi in die St. Martin Schule nach Riedenberg. Ein Lehrer und ein Sozialpädagoge waren den ganzen Tag für sie da. "Für die Kinder waren es erfolgreiche Jahre", sagt Anton Büchs, Schulleiter des Förderzentrums St. Martin.
Modellprojekt wieder ausgelaufen
Auf die Dauer aber war diese besondere Förderung nicht haltbar. "Inhaltlich gut, aber organisatorisch schwierig", begründet Thomas Sicheneder, Regierungsschuldirektor der Regierung von Unterfranken für das Sachgebiet Förderschulen, warum das Modellprojekt nach drei Jahren auslief. Fahrtzeit und Fahrtkosten sprengten irgendwann den Rahmen. Außerdem war ein Ziel, die Kinder wieder in ihr gewohntes Umfeld zu integrieren. Je weiter das aber weg ist, umso weniger gelingt dies.
In etwas reduzierter Form gibt es nun also noch die Intensivgruppe. Die Kinder kommen aus dem Altlandkreis Bad Brückenau und sind allesamt Schüler der St. Martin Schule. Die Betreuung kann auch nur noch halbtags geleistet werden. Was geblieben ist, ist das Anliegen: nämlich jedes einzelne Kind dort abzuholen, wo es steht, und auf es einzugehen.
Eric Duschek greift zum Schwamm. Gerade will er "AC/DC" abwischen. Ein Kind hat in seiner Wochenendgeschichte notiert, welche Lieder es am Wochenende gehört hatte, und wissen wollen, wie man den Namen der Musikgruppe schreibt. Auch ein Belohnungssystem für die Schüler hat der Sozialpädagoge eingeführt: An jedem Tag bekommen die Kinder eine Rückmeldung über ihr Arbeitsverhalten, ihr Sozialverhalten und ihre Neigung, Anweisungen zu befolgen - oder eben nicht.