Notfall-Mission in Warschau: auf der Suche nach acht gestrandeten Menschen
Autor: Steffen Standke
Bad Brückenau, Montag, 21. März 2022
Kurzentschlossen holten Helfer acht gestrandete ukrainische Kinder und Jugendliche aus der polnischen Hauptstadt ab. Was die Aktion so wertvoll macht.
Der Anruf vom Samstagvormittag traf die Bad Brückenauer Ukraine-Helfer völlig unerwartet: Eine Dolmetscherin teilte ihnen mit, dass in Polen eine Gruppe aus acht Kindern und Jugendlichen gestrandet sei - ohne Eltern. Das jüngste Kind sei neun Monate alt, die einzige Volljährige erst 19. Sie trage die volle Verantwortung für ihre minderjährigen Geschwister und Freunde, die neun, zehn, 15, 16 und 17 Jahre alt seien. Für die Helfer hieß es: handeln.
Um den Kindern das Leben zu retten, hätten die Eltern sie im umkämpften ostukrainischen Charkiw in den Zug gesetzt und Richtung Polen geschickt, hieß es. Sie selbst konnten nicht weg: Entweder sind sie Soldaten der ukrainischen Armee oder arbeiten - wie man in Deutschland sagt - in einem systemrelevanten Beruf.
Für die Helfer wäre es ein eher ruhiges Wochenende geworden, das erste nach zwei anstrengenden mit Hilfstransporten über mehr als 1000 Kilometer zur polnisch-ukrainischen Grenze. Dort hatten die Rhöner um Uwe Schindler und Christian Wirth nach langer, auch nächtlicher Fahrt nicht nur Hilfsgüter abgeliefert; sie nahmen Flüchtlingsfamilien mit (wir berichteten).
Doch trotz der Mühen war es für das Team des neugegründeten Vereins "Bad Brückenau hilft!" keine Frage: Alle wollten helfen. Schindler organisierte umgehend Fahrzeuge und Fahrer sowie eine Dolmetscherin. Christian Wirth kaufte belegte Brötchen und übergab dem Team aus dem Hilfsmittellager Getränke und warme Decken für die Fahrt.
Zunächst hieß es, dass die versprengte Gruppe aus Charkiw an der deutsch-polnischen Grenze bei Frankfurt/Oder wartet. Doch schnell wurde klar: Die Retter würden bis in die polnische Hauptstadt fahren müssen - also insgesamt zehn Stunden und 1000 Kilometer. "In Warschau waren wir dann mitten in der Nacht keine halbe Stunde", berichtet Thomas Weißenfeld, der neben Elisabeth Goldstein, Simon Wolz, Hansi Müller und Sven Claßen mitgefahren war.
Die völlig erschöpften Kinder und Jugendlichen wurden eingesammelt und nach Deutschland gebracht. "Vor allem die 19-Jährige schlief schnell tief und fest auf der Rückfahrt nach Bad Brückenau", schreibt Weißenfeld.
Bei der Ankunft am Sonntagmorgen stand bereits das Frühstück bereit. Helferinnen hatten es am evangelischen Gemeindehaus vorbereitet und auch Betten für die übernächtigten Flüchtlinge gerichtet. Einige der in den beiden vorherigen Hilfstransporten mitgekommenen ukrainischen Gäste kümmerten sich gemeinsam mit den deutschen Helfern um die Kinder und Jugendlichen. Ganz spontan wurde ein Kinderwagen von einer Spenderin abgeholt und ins Gemeindehaus gebracht. Am Mittag wurden einige aus der Gruppe Kinder und Jugendlicher vor und im Gebäude beim Spielen beobachtet.