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Musizieren, Plaudern und Arbeiten: Die Spinnstube lebt in Oberweißenbrunn wieder auf


Autor: Marion Eckert

Oberweißenbrunn an der Rhön, Montag, 04. Februar 2019

Die Mühlengrund-Wirtin Marianne Rauh lädt in Oberweißenbrunn lädt Jahr für Jahr Ende Januar zur Spinnstube ein. Auch diesmal kamen viele Besucher.
Tradition und Brauchtum bewahren, das liegt der Mühlengrundwirtin Marianne Rauh (stehend) am Herzen. Mit ihr veranstalteten die Spinnstube (von links), Walter Wiesner (Oberbach), Ludwina Abert (Wildflecken), Hedwig Röhner, Gertrud Jokiel und Felix Back. Foto: Marion Eckert


Der Winter war in den Rhöndörfern früher traditionell die Zeit, in der man an den langen dunklen Winterabenden gemütlich beieinander saß. Mobilität und Internet gab es nicht, die Jugend konnte nicht mal schnell in die nächste Disco oder zum Kinobesuch nach Würzburg, Schweinfurt oder Fulda fahren. Um in Gesellschaft diese langen Abende zu verbringen, wurden die Spinnstuben für die Mädchen und Kartstuben für die Burschen ins Leben gerufen.

Schafwolle verarbeitet

In den Spinnstuben wurde aber nicht nur die Geselligkeit gepflegt, sondern auch gearbeitet. Am Spinnrad wurde die Schafwolle verarbeitet, es wurde gestrickt, geflickt und dabei über so manche Neuigkeit aus dem Dorf geplaudert. Natürlich wurde auch das eine oder andere Liedchen gesungen, so dass die Spinnstube immer genügend Unterhaltung und Abwechslung bot.

Diese gemütlichen Spinnabende in den Wohnstuben gehören heute weitestgehend der Vergangenheit an. Nicht so in Oberweißenbrunn. Die Mühlengrund-Wirtin Marianne Rauh hat im Jahr 2001 diese alte Tradition aufgegriffen und lädt seither Jahr für Jahr Ende Januar zur Spinnstube ein. Sicher, es ist nicht die Jugend von heute, die diese Einladung annimmt und das Brauchtum fortführt, dennoch war der Mühlengrund voll. Es wurde ein geselliger und amüsanter Abend mit viel Geselligkeit, Musik und Gesang miteinander verbracht.

Viele Erinnerungen ausgetauscht

Die Teilnehmer tauschten viele Erinnerungen aus und erzählten lustige Geschichten von früher. Die Besucher konnten den "Spinnweibern" bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen. Einige Besucherinnen hatten selbst auch ihre Handarbeitssachen mitgebracht. Ludwina Abert war mit ihrem Spinnrad gekommen. Gertrud Jokiel und Felix Back wechselten sich am Spinnrad ab, und Hedwig Röhner ist als "Schlappenflickern" bekannt. Wunderbare warme und kuschelige Hausschlappen näht sie aus buntem Stoff, der mit gewaschener und gekämmter Schafwolle gefüllt wird.

"Eine Spinnstube kann nicht mehr so wie früher abgehalten werden. Die Zeiten, in denen die Menschen Abend für Abend zusammen kamen, sind einfach vorbei", sagte Marianne Rauh. "Mir ist es wichtig an die Tradition zu erinnern. Das darf nicht in Vergessenheit geraten."

Zu einer Rhöner Spinnstube gehört auch Rhöner Liedgut. Walter Wiesner aus Oberbach ist von Anbeginn der Mühlengrund-Spinnstuben mit dabei und begleitet mit dem Akkordeon die Stücke. Dazu surrten die Spinnräder unermüdlich, es wurde gesungen, musiziert und gelacht. Doch nicht nur Wiesner war als Musiker vor Ort. Aus Unterelsbach war Helmut Handwerker gekommen, auch er spielte auf dem Akkordeon, Daniela Pototschnik aus Fladungen musizierte auf der Gitarre und Werner Zirkelbach aus Unterweißenbrunn auf der Teufelsgeige. Und auch die Oldies aus Oberweißenbrunn spielten zu späterer Stunde noch zünftig auf.

Viele der Besucher brauchten keine Textvorlagen, sie kannten die Liedtexte von früher noch auswendig und stimmten kräftig mit ein. Nicht fehlen durften das Dammerfeldlied, die Kreuzberglieder oder "Ich weiß basaltene Bergeshöhn", die altbekannte Rhönklub-Hymne. Fröhliche und romantische Lieder wurden gesungen, und dabei zeigte sich wieder einmal, dass gerade die Liebeslieder von einst noch nichts von ihrem Reiz verloren haben.

Spinnstuben verführen zur Unsittlichkeit

Eine Anekdote gehört in jedem Jahr zur Spinnstube: In früherer Zeit sollen die Mädchen und Burschen in den Spinn- und Kartstuben nicht nur brav und sittsam ihrer Handarbeit und dem Kartenspiel gefolgt seien. Es war im Jahre 1783, da hat der damalige Fürstbischof von Würzburg besonders aus den Rhöngegenden die Klage vernommen, dass die Spinnstuben eine "Hauptursache aller Ausschweifungen seien" und hat sie daraufhin auf das Schärfste verboten. Erneuert wurde das Verbot von der königlichen Regierung im Jahre 1851. Spinnstuben verführen zur Unsittlichkeit, wurde damals argumentiert. "Wer nach sechs Uhr Abends des Spinnens halber in ein fremdes Haus geht, wird angezeigt und strenge bestraft werden, der nämlichen Strafe unterliegen jene, welche Spinnstuben halten", so die Anordnung im Jahre 1856.

Eines gilt allerdings mittlerweile als gesichert: Von der Oberweißenbrunner Spinnstube am vergangenen Wochenende ging sicherlich keine Gefahr für die Sittlichkeit aus.