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Motten: Eine Bleibe für Flüchtlinge


Autor: Stephanie Elm

Motten, Freitag, 24. April 2015

In Motten steht eine dezentrale Unterkunft für die Flüchtlinge bereit. Sie ist nicht grau, sondern richtig bunt und bietet sechs eigenständige Wohnungen. Doch es gibt auch Bedenken.
Nach der langen Wanderung finden Asylbewerberfamilien im Altlandkreis Bad Brückenau eine Bleibe. Das Foto entstand in Volkers.Symbolfoto: Ulrike Müller


Obwohl die Zimmer in der Lindenstraße 8 in Motten noch nicht fertig sind, ist zu erkennen, dass es lichtdurchflutete, farbenfrohe und freundlich eingerichtete Wohnungen werden. Georg und Thomas Koscielny sind dabei, das Haus gastfreundlich zu gestalten: "Im Fernsehen sieht man ja grauenhafte Baracken, das wollte ich auf keinen Fall", betont Georg Koscielny, Inhaber und Vermieter der dezentralen Flüchtlingsunterkunft in Motten.

"Das Ganze hat nur Sinn, wenn wir diese Menschen als Menschen betrachten." In das Haus, das der Landkreis angemietet hat, werden sechs eigenständige Wohnungen mit Schlafzimmer, Küche, Bad und Aufenthaltsraum bezugsfertig gemacht. Eine der Wohnungen wird Thomas Koscielny, der Sohn von Georg Koscielny, beziehen. Sieben Tage pro Woche wird der 31-Jährige für die Asylbewerber Ansprechpartner sein.

"Ich habe die soziale Art von meinem Vater geerbt", sagt Thomas Koscielny. Er hilft gerne und hat für die Zeit mit den Flüchtlingen schon viele Ideen. Wichtig ist Vater und Sohn, "Struktur in den Alltag" der Flüchtlinge zu bringen, damit diese nicht nur mit Warten auf einen Bescheid beschäftigt sind. Sie sind der Meinung: "Wir alle müssen uns mit dieser Thematik auseinandersetzen. Eigentlich ist das für die EU mit ihrem demographischen Wandel eine Riesenchance."

Info-Veranstaltung schwach besucht

Ein Re-Make der ersten Flüchtlingsunterkunft in Motten wird es nicht geben. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen haben sich geändert, und auch der Gemeinderat hat das Konzept so verabschiedet, dass kein Déjà-Vu zu erwarten ist. In den 90er Jahren waren in Motten bereits bis zu 70 Asylbewerber in der Lindenstraße 8 untergebracht. Diese war damals als Gemeinschaftsunterkunft konzipiert, die Regierung war Mieter, der Vermieter war als betreuende Person nicht vorgesehen.

Die Anwohner haben teils negative Erinnerungen an diese Zeit. Von Müllbergen und Musik bis spät in die Nacht ist die Rede. Dieser Sorge Rechnung tragend, hat der Gemeinderat eine Gemeinschaftsunterkunft abgelehnt, allerdings eine Aufnahme von Flüchtlingen in einer dezentralen Unterkunft zugestimmt. "Es soll hier vor Ort anders laufen", betonte Bürgermeister Jochen Vogel (CSU) bei der Informationsveranstaltung, zu der wohl mehr als die etwa 20 erschienenen Interessenten erwartet worden waren, zirka die Hälfte der Stühle blieb leer.

Hemmschwellen fallen

Stefan Seufert von der Koordinationsstelle für Flüchtlingsfragen am Kissinger Landratsamt weiß, dass das Wort "Flüchtling" oft Angst auslöst. Doch weiß er auch aus anderen Orten zu berichten: "Wenn man sieht, dass da Familien mit Kindern kommen, fallen die Hemmschwellen."

Im neuen Konzept ist der Vermieter mit eingebunden. Maximal 28 Personen sollen kommen, der Landkreis habe aus der Situation in der damaligen Gemeinschaftsunterkunft gelernt. Bereits zwei Gespräche haben Bürgermeister und Stefan Seufert mit den Anwohnern geführt. Auf deren Wunsch sollen die Flüchtlinge "peu à peu" kommen, eine Kontaktaufnahme soll so erleichtert werden.

Auf Grund der unterschiedlich langen Bearbeitungszeiten für Asylanträge und deren Ausgang wird es in der Unterkunft zu Fluktuationen kommen. Während manche auf ihren Bescheid warten, können andere eine eigene Existenz aufbauen, wieder andere müssen in ihr Heimatland zurück. Aus dieser Ungewissheit heraus kann es unter den Flüchtlingen zu Spannungen und psychischen Belastungen kommen. Ehrenamtliche Helfer sollen "mit Distanz an die Sache herangehen", um selbst emotional nicht zu sehr eingebunden zu sein, so Seufert.

Der Beginn der Belegung in der Lindenstraße 8 ist ab Mai bereits möglich. Die Zahl der zu erwartenden Flüchtlinge richtet sich nach den Zuweisungen, die wiederum mit dem "Königsteiner Schlüssel" ermittelt werden.

Hand in Hand

15 Stellen sind im Landkreis für Flüchtlingsbetreuung eingerichtet, vier Sozialpädagogen von der Caritas stehen beratend zur Verfügung. Zudem hat der Landkreis mobile Mitarbeiter, die - oft mehrsprachig - unterstützen. Polizei, Jugendamt und Arbeitsamt werden Hand in Hand mit Landkreis, Gemeinde und den Koscielnys zusammenarbeiten. Stefan Seufert hofft auch für Motten, dass sich eine Hilfs-Kultur entwickelt. Aber es gibt auch Bedenken.

Die Brandschutzsituation sei damals "eine Katastrophe" gewesen, berichtet ein Mottener. Messie-ähnliche Zustände hätten die Feuerlöscher unzugänglich gemacht. Laut Seufert seien die Brandschutzbestimmungen in den letzten 20 Jahren verschärft worden. Vermieter und Hausmeister müssen darauf achten, dass das Haus in Schuss gehalten wird. Vermeintlich wohlgemeinte Hilfe in Form von direkten Kleider- oder Spielzeugspenden lehnt Seufert strikt ab. Dies sei keinesfalls hilfreich, sondern verleite zum Horten. Spenden sollen im Caritas-Kramladen abgegeben werden. Das Ziel sei "Hilfe zur Selbsthilfe", kein Bemuttern.

Georg Koscielny ist da fast schon Profi: "Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass wir diese Menschen nur auf einem Teil ihres Weges begleiten. Dann muss man loslassen."


Verteilung der Flüchtlinge:

Königsteiner Schlüssel Nach dem "Königsteiner Schlüssel" wird ermittelt, wie viele Asylbewerber ein jedes Bundesland aufnehmen muss. Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl fließen in die Berechnung hinein. Für Bayern liegt laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Verteilungsquote für 2015 bei 15,33 Prozent. Bayern ist somit das Bundesland mit dem zweithöchsten Flüchtlingsaufkommen in Deutschland. Der Königsteiner Schlüssel wird im EASY-System (Erstverteilung der Asylbegehrenden) angewendet.

Unterkünfte Im Landkreis gibt es sechs Gemeinschaftsunterkünfte in: Hammelburg, Münnerstadt, Oerlenbach, Volkers, Bad Bocklet und Bad Kissingen; 16 dezentrale Unterkünfte befinden sich in: Schondra, Wernarz, Euerdorf, Nüdlingen, Hammelburg, Bad Kissingen, Garitz, Reiterswiesen, Riedenberg, Waldfenster, zwei in Bad Bocklet und vier in Haard.