Druckartikel: Mit ein paar Negativen fing es an

Mit ein paar Negativen fing es an


Autor: Rolf Pralle

Wildflecken, Donnerstag, 08. Oktober 2015

Eine Besonderheit unter den Dauerausstellungen in Franken ist die militärhistorische Sammlung in der Rhönkaserne Wildflecken. Seit über zwei Jahrzehnten besuchen Gäste aus dem In- und Ausland die Präsentation.
Zu den größten und schwersten Ausstellungsstücken gehört die Glocke (l.) aus der ehemaligen Kirche, für die ein massives Gestell gefertigt wurde. Foto: Rolf Pralle


"Fast wöchentlich werden mir neue Exponate zugeschickt", sagt Adolf Kreuzpaintner und öffnet vorsichtig einen gefütterten Briefumschlag. Zum Vorschein kommt ein weiteres gut erhaltenes Teil, das prima in seine militärhistorische Sammlung passt. Der heute 79-jährige ist nicht nur Initiator der Ausstellung, sondern auch Kurator, Archivar und Fremdenführer in einer Person. "Angefangen hat praktisch alles 1994 mit dem Abzug der US-Armee", erinnert sich der gebürtige Münchner, der schon immer an Geschichte interessiert war. Zu jener Zeit lebte er bereits seit 30 Jahren in Wildflecken und bekam so sein Wissen "immer aus erster Hand". Auch seine Erfahrungen als Zeitsoldat und später als Zivilangestellter der Bundeswehr kamen ihm beim Aufbau der Sammlung zugute.


Mit alten Negativen begann's

Kreuzpaintner weiß noch ganz genau, wie die Sache ins Rollen gekommen ist. "Inspiriert wurde ich durch alte Negative und Fotos, die mir Josef Lisiecki zur Verfügung gestellt hat". Der Brückenauer Lehrer war unter anderem auch Heimatforscher und Autor und kannte sich mit der Historie der Rhön bestens aus. Was in kleinem Rahmen begann, präsentiert sich heute als ein Stück höchst anschaulicher Zeitgeschichte. Die mit viel Liebe zum Detail gestalteten Ausstellungsräume, sieben kleinere und ein großer im Zentrum, lassen die Historie lebendig werden. Zum Einstieg erhält der Besucher auf übersichtlich gestalteten Schautafeln mit Fotos, Landkarten und Dokumenten umfassende Informationen zur Entstehung und Entwicklung des Truppenübungsplatzes. Ergänzt wird dieser Abschnitt mit anschaulichen Modellen über die Lage der einzelnen Gebäude. Auch Zeitungsausschnitte spiegeln die Ereignisse der vergangenen Jahrzehnte wieder.


Raritäten aus der DDR

Stark vertreten sind in der militärhistorischen Sammlung Uniformen der verschiedenen Gattungen der Bundeswehr wie Herr, Luftwaffe und Marine. Auch die Dienstbekleidung der Amerikaner nimmt breiten Raum ein. Und immer wieder staunen die Besucher, dass Kreuzpaintner sogar an allerlei nicht alltägliche Utensilien der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen DDR herangekommen ist.
Gerade in Zeiten moderner Kommunikationsmittel stellen die alten mi
litärischen Fernmeldeanlagen, denen ein eigener Abschnitt gewidmet ist, einen ungewöhnlichen Blickfang dar. "Viele Gäste können sich gar nicht mehr vorstellen, dass mit diesen Dingern überhaupt eine gescheite Verständigung möglich war".


Fortlaufende Ergänzungen

Gezählt hat er die Exponate nie, die vom kleinsten Orden bis zur großen Kirchenglocke reichen. "Aber so rund tausend werden es schon sein", so Kreuzpaintners Schätzung. "Und regelmäßig bekomme ich von Besuchern, die einmal hier waren, verschiedenste Dinge, die bislang unbeachtet in Schubladen oder auf dem Dachboden gelegen haben". Aber nicht nur mit der fortlaufenden Ergänzung der Präsentation ist der 79-jährige vollauf beschäftigt. Allein im vergangenen Jahr verzeichnete er 46 Führungen durch die Sammlung und 21 Platzrundfahrten auf dem Militärgelände. Die Gruppen aus dem In- und Ausland kommen dabei in unterschiedlicher Personenstärke nach Wildflecken. "Mehr als 50 Leute auf einmal geht nicht, dann muss eben aufgeteilt werden", sagt der Experte, der sehr um einen individuellen Kontakt zu den Interessenten bemüht ist.


Zusätzliche Aktivitäten

Wer nun meint, Kreuzpaintners Engagement sei mit der Arbeit an der militärhistorischen Sammlung komplett ausgeschöpft, der irrt gewaltig. Denn er agile Senior betreut seit 1978 den Friedhof Reußendorf und seit 1994 zusätzlich den Friedhof Altglashütten in den abgesiedelten Ortschaften. Eine Herzensangelegenheit ist ihm darüber hinaus der Polenfriedhof. Dieser Einsatz, der auch der Völkerverständigung dienen soll, fand 2003 eine besondere Würdigung. Kreuzpaintner wurde im Rahmen eines Festaktes das Kavalierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen verliehen.


Vorsorge für die Zukunft

Mit Blick in die Zukunft hat der Hobby-Historiker ganz klare Vorstellungen: "Wenn ich einmal nicht mehr bin, darf die Sammlung nicht auseinandergerissen werden". Das hat er auch schon schriftlich verfügt. Die komplette Präsentation soll in den Besitz der Kommandantur der Rhönkaserne übergehen. Vom Tisch dürften damit auch Überlegungen sein, die mannigfachen Exponate in den Ortskern von Wildflecken zu verlagern. "Mit diesen Vorschlägen habe ich mich noch nie anfreunden können", setzt Kreuzpaintner der Diskussion ein Ende.