Kriegsgräberpflege: Versöhnung durch Erinnerung
Autor: Edgar Bartl
Wildflecken, Mittwoch, 16. Oktober 2019
Soldaten aus Wildflecken sammeln in drei Landkreisen und zwei Bundesländern für den Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge
Bundeswehrsoldaten aus Wildflecken überschreiten eine "Grenze". Erstmals seit 16 Jahren bitten sie auch um Spenden für den Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge in Hessen: Eine Patenschaft mit der Stadt Gersfeld macht dies möglich, sagte Oberstleutnant Roman Jähnel, der Standortälteste, beim Startschuss der alljährlichen Herbstsammlung. Im vergangenen Jahr kamen, mit Unterstützung der örtlichen Soldaten- und Reservistenkameradschaft stolze 3165 Euro zusammen. Diesmal sollen es noch mehr werden.
Das hoffen auch Bürgermeister Gerd Kleinhenz (Freie Wähler Wildflecken) und Oliver Bauer, der Bezirksvorsitzende des Volksbundes. Einen "Sponsor" hat man im größten Arbeitgeber des Orts gefunden, in der Firma Paul & Co. Die Reservisten werden wieder Bratwürste und Getränke anbieten, sagte Vorsitzender David Baer.
Für Jähnel ist das Engagement selbstverständlich. Die Bundeswehr fühle sich im Rahmen ihrer Tradition zur Unterstützung des Volksbundes verpflichtet. Für sie sei es ganz wichtig, das Andenken an die Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege zu pflegen. Bezirksgeschäftsführer Bauer verwies auf die zahlreichen Pflegeeinsätze von Bundeswehrsoldaten auf Gedenkstätten im Ausland.
Bürokratische Hürden
Die Pflege der Friedhöfe aber hat ihren Preis. Vor allem in Osteuropa ist ein Ende noch lange nicht in Sicht. Nach Angaben von Bauer werden Jahr für Jahr die sterblichen Überreste von mehr als 20.000 Soldaten geborgen und in zentrale Anlagen umgebettet. Beispiel Weißrussland: Für dieses im Krieg so schwer getroffene Land ist als Umbetter Wolfgang Brast zuständig. Nach seinen Angaben kann der Friedhof von Schatkowo 40 000 Tote aufnehmen, etwa 5000 Soldaten ruhen hier bereits. Schon bald werden es mehr sein. Stelen aus kasachischem Granit mit zahllosen Namen liegen zur Aufstellung bereit.
Die weißrussische Bürokratie mache die Arbeit des Volksbundes nicht immer leicht, so Brast. Zwar gebe es ein entsprechendes Abkommen seit den 90er Jahren. Weißrussland hat es aber bislang nicht ratifiziert. "Wir sind da erst am Anfang", es warte noch viel Arbeit, sagte Volksbund-Beauftragter Bruno Schwarz (Rheinland-Pfalz).
Nicht einmal eine Hinweistafel
Vielleicht führt deshalb die Anlage mitten im Wald bei Mogilev ein Schattendasein. Kein Schild weist auf sie hin, eine Kapelle verfällt langsam. Hier liegen die Körper von etwa 470 ehemalige Kriegsgefangenen. Immerhin sei das Areal, so Schwarz, nicht mehr so vermüllt und ungepflegt wie vor einigen Jahren bei seinem letzten Besuch. Auch an anderen Stellen gibt es Handlungsbedarf. In Witebsk etwa gibt es eine Fläche neben einem Krankenhaus mit Rasen und Bänken. Es ist kein "normaler" Park, sondern die vorerst letzte Ruhestätte von 2600 Soldaten, die einst in einem deutschen Lazarett verstorben sind. Die Behörden lassen ihre Umbettung bislang nicht zu, auch eine Gedenktafel wird nicht gestattet. Immerhin, so Schwarz, gebe es eine "informelle", also nicht bindende, Zusage, dass eine Überbauung nicht geplant sei.
Zeichen der Versöhnung
Dass es auch anders geht, wird in Korsika deutlich. In der Hauptstadt Bastia wurde vor genau 50 Jahren ein deutscher Soldatenfriedhof eingeweiht. Aus Anlass des "Jubiläums" fand eine ebenso schlichte wie gelungene deutsch-französische Feierstunde statt. Der Geschäftsführer des Volksbund-Landesverbandes Bayern, Jörg Raab, verwies auf die schweren und verlustreichen Gefechte bei der Befreiung der Mittelmeer-Insel. 1964 sei mit den Umbettungen auf den Friedhof begonnen worden, der 1969 fertiggestellt wurde und sich in einem hervorragenden Zustand befindet. Raab bat: "Lassen Sie uns den Weg der Versöhnung weitergehen." Dem schlossen sich Redner aus beiden Ländern an. Sie legten am Hochkreuz Blumen ab.