Druckartikel: Karger Rhöner Boden, aber reiche Flora

Karger Rhöner Boden, aber reiche Flora


Autor: Stephanie Elm

Schondra, Freitag, 02. Juni 2017

Die Vielfalt der Rhön erkundeten die Teilnehmer bei der Radsternfahrt des Bund Naturschutz. Auch führte der Weg zur früheren Weipertskirche.
"Am Knörzchen" finden sich heute noch Schlotbrekzien, Moose und Flechten. Foto: Stephanie Elm


Zur jährlichen Radsternfahrt des Bund Naturschutz (BN) zum Jagdhaus "Willkomm" gab es heuer auch Führungen. Ingo Queck zeigte mit stets nach unten gerichtetem Blick, wie reich die heimische Flora trotz der kargen Bodenbeschaffenheit ist. Der Buntsandstein ist die Grundlage für die mineralisch "ärmere Gegend".

Dennoch findet sich auch hier eine wundersame Biodiversität: Heidelbeeren, Besenheide und die weißliche Heinsimse fallen dem Biologielehrer sofort auf. Auch Ackerschachtelhalm, Wiesensegge und das steinerne Labkraut finden sich "Am Bornhag". Für magere Wiesen kennzeichnend sind Ruchgras und Hornkraut. Dass der dort blühende Hahnenfuß sowohl als rauhaariger als auch als scharfer Hahnenfuß gedeiht, war nicht jedem Tourteilnehmer bekannt.


Zweisprachige Erklärungen

Die Pflanzenkunde wurde meist zweisprachig abgehalten, denn zu jedem Gewächs hatte Ingo Queck das lateinische Equivalent parat. Die im Volksmund bekannte "Fleischblume" kennt man auch als Kuckucks-Lichtnelke oder der Botaniker als "lychnis flos-cuculi". Neu für den Leiter der Führung war allerdings der Begriff "Matteblume" alias Wiesenschaumkraut oder "cardamine pratensis". Im Naturschutzgebiet wachsen auf dem feucht-sauren Standort zudem Blutwurz, Seidelbast und der kleine Baldrian. "Das Biotop verschwindet bei Düngung, daher ist das hier schon bemerkenswert", betonte Ingo Queck.

Etwas abgelegen vom Weg fand sich ein "Mittelwald". Der vorherrschende Eichenbewuchs war von der Bevölkerung in alten Zeiten doppelt genutzt worden. Der ausgewachsene Baum wurde knapp über dem Stock gefällt, das Holz zum Bauen verwendet. Aus dem Stock wuchsen neue Triebe. Die kleineren wurden als Brennholz verwendet, ein Trieb wuchs zu einem neuen Baum heran, der zur haureifen Zeit wieder knapp über dem Stock gefällt wurde. Am breiten "Füßle", einem teils knorrigen dicken Baumfuß, kann man diese uralte Zweifachbewirtschaftung erkennen.

Vor 15 bis 20 Millionen Jahren müsse es in der Rhön "vulkanologisch hoch hergegangen sein", erklärte Ingo Queck. Durch Verwitterung und Basaltabbau sind heute "Am Knörzchen" nur noch ein Loch und niedere Gewächse wie Moose, Flechten und Königskerzen zu sehen.

Im Wald um die Weiher, die in der Nähe der "Willkommhütte” gelegen sind, ist zu sehen, dass "der Boden oberflächlich arm" ist, sagte Ingo Queck. Mineralstoffe sind in die tiefer gelegenen Erdschichten geschwemmt worden, im Querschnitt ist die obere Erdschicht fast weiß - "Bleicherde", lautet der Fachbegriff.
Aber auch in diesem Boden gibt es Leben - gut sichtbar sind Löcher von Wildbienen. Taumelkäfer und Wasserläufer sind auch für den Laien in den mit Wasser gefüllten Reifenspuren zu erkennen.


Weipertskirche im Fokus

Ergänzt wurde der biologisch-geologische Aspekt heuer durch geschichtliche Informationen zur Weipertskirche. Heute völlig vergessen, ist der Ort, an dem einst eine Wallfahrtskirche stand, "ungeheuer alt", schilderte Matthias Elm. Im Jahr 1127 war erstmals ein Ort "Zum Hain" oder auch "Zum Hagen" erwähnt. Die Gemarkung umfasste circa 70 Hektar und lag an einer wichtigen Verbindung zwischen Fulda und Hammelburg. Der einstige Ort war laut Elm "keineswegs unbedeutend, sondern vergleichbar mit Schondra". Die Maße der Chorturmkirche von elf Metern Breite und 24 Metern Länge unterstreichen die Bedeutung des Ortes "Zum Hain".

Lediglich in drei Urkunden ist dieser Ort erwähnt, zuletzt im Jahr 1305, als er von Thulba an das Kloster Aura überging. Im 14. oder 15. Jahrhundert fiel der Ort wüst, doch die Kirche blieb und wurde von den Menschen aus den umliegenden Dörfern zu Wallfahrten genutzt. Da dem Kirchenpatron Wigbert ein guter Einfluss auf das Vieh nachgesagt wurde, nahmen die Bauern zu den Wallfahrten ihr Vieh mit. Vor Sonnenaufgang mussten sie mit dem Vieh die Kirche drei Mal umrunden. Oft löste diese Praxis "tumultartige Zustände" aus, so der Heimatforscher.


Raubzug und Ringen

Anno 1512 wird ein Häuschen für einen Klosterbruder aus Aura erwähnt, der wohl dorthin beordert worden war, um die Felder zu überwachen. Von einem geplanten Raubzug aus dem Fuldischen wird berichtet, der durch Reiter aus Aura verhindert werden konnte. Nach jahrelangem gerichtlichem Ringen wurden die Anteile festgelegt, die den anliegenden Gemeinden zufielen. Die Wallfahrt zur Weipertskirche kam in der Reformationszeit um 1550 zum Erliegen. Auf einer alten Karte aus dem Jahre 1572 ist die Kirche noch zu sehen, doch der Zahn der Zeit nagte an ihr. 1850 waren noch die Grundmauern zu erkennen, heute erinnern nur Steinhaufen an die "relativ große romanische Kirche", betonte Elm.