Druckartikel: Irrungen und Wirrungen

Irrungen und Wirrungen


Autor: Thomas Dill

Bad Brückenau, Dienstag, 17. März 2015

"Figaros Hochzeit" zeigte die Theatergruppe "Kompass" des Franz-Miltenberger- Gymnasiums an drei Abenden.
Ein betrunkener Gärtner mit Perücke, ein niedergeschlagener Diener, ein blutiger Wachmann, eine unschuldige Gräfin. Foto: Thomas Dill


Figaros Hochzeit, schon der Titel lässt auf eine heiter beschwingte Komödie ganz im Sinn von Mozarts Oper, 1786 geschrieben, schließen. Doch wer mit diesem Bild in eine der drei gut besuchten Aufführungen des vergangenen Wochenendes ging, wurde etwas enttäuscht. Wie Mozarts Oper basiert auch das diesjährige Theaterstück der Theatergruppe Kompass des Franz-Miltenberger-Gymnasiums auf dem Drama "Der tolle Tag oder die Hochzeit des Figaro", aus dem Jahr 1778 von Pierre August Caron de Beaumarchais.
Die Gesellschaftskritik des Stückes erkannte 1972 auch der österreichische Autor Peter Turrini, der das Stück vom Mozart'schen Weichspülerhabitus befreite und den aufrührerischen Kern Beaumarchais überspitzt fortzeichnete.

Zeitloses Theaterstück

Wer den Leiter und Regisseur der Theatergruppe, Dirk Hönerlage, und seine Truppe kennt, muss sich klar sein, dass auf der intimen Bühne des Lola-Montez-Saals im Staatsbad also nur oberflächig betrachtet eine Komödie zur Aufführung gelangt, sondern ein zeitkritisches, zeitloses Theaterstück mit zahlreichen Ebenen, versteckten Anspielungen und halboffenen Hintertürchen und einem fast schon zu erwartenden offenen Ende. Wie immer lässt es sich Dirk Hönerlage nicht nehmen, das Stück neu zu interpretieren, um weitere Figuren und Handlungsstränge zu erweitern. Dies zum einen, um allen Mitgliedern der Theatergruppe möglichst geschickt einen Auftritt zu verschaffen, zum anderen aber auch, um das Stück noch zeitnaher, aktueller zu gestalten, den Wortwitz und die brillanten Dialoge noch schärfer zu zeichnen. Dementsprechend könnte das Stück, eigentlich eine Tragödie, eine Geschichte rund um eine dekadente, in ihren Machtspielen verfangene Aristokratenclique, auch in der Jetztzeit spielen und nicht kurz vor der französischen Revolution irgendwo im fernen Spanien.

Zweite Handlungsebene

Auch wurde in dem Stück von Hönerlage eine zweite Handlungsebene eingeführt. Danton, Marie Antoinette und Mozart diskutieren in mehreren Einblendungen über die Glaubwürdigkeit der Szenen und entwickeln Alternativen. Aus einer dieser Alternativen entsteht dann auch das offene Ende. Danton, von Jonas Krautwald treffend dargestellt, steht für die radikalen Lösungen des Stücks. Marie Antoinette (Lena Baumgart), eigentlich Opfer der Revolution, dementsprechend mit dem Kopf ihres enthaupteten Gemahls unter dem Arm, steht für die Dekadenz und den Lebensstil der damaligen Zeit. Für die Running Gags ist der weibliche Mozart zuständig, kaugummikauend und mit Sonnenbrille, sich mit Mozartkugeln und Nippesfigürchen auf der Bühne selbstvermarktend, steht er für die Entwicklung des Stücks. Isabel Dill glänzte hier trotz wenig Text mit Mimik und perfektem Klavierspiel. Die Ouvertüre aus Figaros Hochzeit erklingt dabei als erstes Stück des Abends.
Ein wenig Slapstick, wohldosierte Gags und Wortspiele, hinter jedem Satz war die Zeit- und Gesellschaftskritik deutlich zu spüren. Der lüsterne Graf Almaviva, ein Despot in bestem Sinne, wunderbar selbstironisch gespielt von Bastian Hunger, der die Menschen in Diener und Personen unterteilt, der den Intrigen von Bazillus seinem Vertrauten folgt, weil er selbst unsicher ist. Diesen Intriganten erfüllt Nick Schumm glaubwürdig mit Leben. Er ist der Nutznießer des Intrigenspiels, übernimmt er doch nach dem gewaltsamen Tod des Grafen die Macht.
Der Graf stellt Susanne, dargestellt von Alisa Pavlin, der Dienerin der Gräfin nach. Diese ist jedoch die Braut des stolzen Figaro. Mit Figaros Klugheit, seinem Gerechtigkeitssinn und männlichen Stolz perfekt gespielt von Kevin Opitz, hat der lüsterne Graf nur leider nicht gerechnet. Ab sofort jagt eine Intrige die andere und die Komödie entwickelt sich zum Drama, in dem es am Ende ums nackte Überleben geht. Die Käuflichkeit von Recht und Gerechtigkeit zeigen Dr. Bartholo (Lasse Plümke) als Studierter, der Richter Guzman (Valentin Leitner) und seine Schreiberin (Jasmin Müller) herrlich überspitzt auf. Zwar verliert Figaro trotz rhetorischer Stärke vor Gericht sein Gefecht. Denn Wortwitz wiegt heutzutage viel, aber wohl immer noch keinen Geldmangel auf. Doch diese Einsicht taugt kaum zur gesellschaftlichen Utopie.
Die Gräfin, dem Grafen treu ergeben, wird von Dorina Fritz ebenso gut umgesetzt wie die weiteren Nebenrollen des Stücks. Sei es Cherubin, der alles Weibliche liebende Page, von Aaron Kinalele gespielt, seine Angebetete Blanchette (Kara Bott) oder der betrunkene Gärtner und Vater Blanchettes Dominik Gebauer. Running gag auch die Figur des Dieners Markus Mathes, als Türsteher und Verkünder der Titel seines Grafen in den unpassendsten Momenten sein Trompetenmundstück blasend. Selbst Hofmusiker und eine höfische Tanzgruppe, hier schlüpften sämtliche Mitglieder des Technikteams in Kostüme, beleben die Szenen.