Druckartikel: Inspekteure trainieren in der Rhön für Syrien

Inspekteure trainieren in der Rhön für Syrien


Autor: Ralf Ruppert

Wildflecken, Mittwoch, 16. Oktober 2013

In Hammelburg und Wildflecken bereiten sich derzeit Chemiewaffen-Inspekteure auf ihren ersten Einsatz in einem Kriegsgebiet vor. Die Verleihung des Nobelpreises vor einer Woche hat die Moral der rund 125 Mitarbeiter gestärkt.
Internationale Fernsehteams beobachteten gestern die Chemiewaffen-Inspekteure der OPCW bei ihrem Training für den Einsatz in Syrien auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken. Fotos: Ralf Ruppert


Franz Ontal von der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) ist kein Mann der lauten Töne: "Ich bin nur für die Ausbildung zuständig und kein großer Politiker", stellte der 49-Jährige gestern in der Rhönkaserne klar. Er und 23 weitere Chemiewaffen-Inspekteure bereiten sich derzeit in Wildflecken auf ihren Einsatz in Syrien vor. Ontal ist ihr Sprecher: "Ziel ist es, die Erfahrung der deutschen Soldaten auf uns Zivilisten zu übertragen."

"In Syrien agieren wir mitten in einem Konflikt. Das ist neu für uns", nannte Ontal die eigentliche Herausforderung am Syrieneinsatz. Auf Nachfragen der internationalen Journalisten, wie realistisch eine Vernichtung aller Chemiewaffen in Syrien bis zum 13. Juni ist, antwortete der OPCW-Ausbildungsleiter ausweichend: "Selbst in Friedenszeiten dauern die Einsätze manchmal Jahre", verwies er auf andere Missionen.

Gute Übungsbedingungen

Die Übungsbedingungen in Wildflecken lobte Ontal ausdrücklich. Auch wenn der dichte Rhöner Nebel wenig mit den klimatischen Bedingungen in Syrien zu tun hat: "Entscheidend sind die Krisensituationen." Vor den Pressevertretern wurde eine Explosion in einem Flüchtlingslager nachgestellt. Ontal sah, wie seine Kollegen vor allem auf den Selbstschutz achteten. Erst wenn die eigene Sicherheit gewährleistet sei, könnten die Inspekteure auch verletzten Zivilisten helfen. Als Bestätigung für die Arbeit der OPCW sieht Ontal die Verleihung des Nobelpreises am vergangenen Freitag: "Der Preis stärkt die Moral der Inspekteure, die oft 16 Stunden am Tag im Feld arbeiten." Ontal dankte zudem der Bundesrepublik Deutschland für die gute Unterstützung der OPCW.

Die Ausbildung in Wildflecken wurde über die Vereinten Nationen organisiert. Eine erste Ausbildung fand in Hammelburg statt, jetzt seien kurzfristig Plätze in Wildflecken organisiert worden, sagt Reinhard Barz, Leiter des VN-Ausbildungszentrums. "Letztendlich geht es darum, Hollywood aus dem Kopf zu bekommen", nennt Barz als wichtigstes Ziel. Viele Teilnehmer würden mit falschen Erwartungen kommen. Im Lehrgang sollen sowohl Soldaten, als auch Zivilisten lernen, Bedrohungslagen zu erkennen und in kritischen Situationen ruhig zu bleiben.

Aufgabe

Die Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) ist zuständig für die Umsetzung der Chemiewaffenkonvention von 1997 zuständig, die die Produktion, den Besitz und den Einsatz der Massenvernichtungswaffen verbietet. Die OPCW hat seit Montag 190 Mitgliedstaaten: Syrien, das sich bis Mitte nächsten Jahres zur vollständigen Vernichtung seiner Chemiewaffen verpflichtet hat, trat der Organisation in dieser Woche offiziell bei. Die OPCW hat ihren Sitz in Den Haag, Niederlande.

Ein lauter Knall ist ihr Startzeichen: Heulend, schreiend und wild durcheinander rennt eine Meute auf die Chemiewaffen-Inspekteure zu, einige in fremdländischer Kleidung, andere in Uniform. Alle sind in Aufruhr, einige zeigen ihre schweren Verletzungen. Das ist eines der Szenarien, in denen die Chemiewaffen-Inspekteure auf ihren Einsatz in Syrien vorbereitet werden.

Soldat Patrick Bender hat eine echt aussehende Wunde an der Hand. Kurz vor dem Start hat er sie noch einmal mit roter Flüssigkeit eingesprüht, damit es noch realistischer wirkt. "Wir werden ab und zu eingeteilt", berichtet er über den Job als Komparse. Die meisten um ihn herum, sind allerdings Zivilisten, wie etwa Bernhard Maier aus Gersfeld. "Das Schminken dauert nur eine Viertelstunde", erzählt er. Zimperlich darf man nicht nur während der Szenen nicht sein, sondern auch beim Abschminken: "Da ist ein Kunststoff drunter, das zieht einem alle Haare raus", weiß er schon vorab. Wenn er gewusst hätte, dass er heute Brandwunden verpasst bekommt, hätte er sich vermutlich vorher rasiert.

In vier Gruppen waren die Inspekteure eingeteilt, macht vier Einsätze am Tag für die Szenarien: Gut eine halbe Stunde Schreien und Verletzungen vortäuschen, dann etwa genau so lang Auswertung. "Die haben sich gut verhalten", lobt Maier die Inspekteure, und: ", Manchmal wissen die Teilnehmer gar nicht, was sie tun sollen."
"Wir müssen das Bewusstsein wecken, dass man sich in einem unfriedlichen Umfeld bewegt", erklärt Reinhard Barz, Leiter des VN-Ausbildungszentrums. Dazu gehöre auch die psychische Robustheit, die durch realistische Szenarien am besten trainiert werden könne.

Nobelpreis

Die OPCW erhielt in der vergangenen Woche den Friedens-Nobelpreis, der mit acht Millionen Kronen (umgerechnet rund 920 000 Euro) dotiert ist. Das Nobelkomitee sah die Vergabe an die Organisation als Beitrag zur Abschaffung der geächteten Kriegswerkzeuge.

Inspekteure

Laut Inspekteur Franz Ontal hat die OPCW derzeit rund 125 Inspekteure. Nach Angaben der Deutschen Presseagentur befinden sich bereits rund 60 davon in Syrien. Die Inspekteure kommen nach Ontals Worten aus 55 Ländern. Die Experten für chemische Waffen und Analysten werden eingeladen und dann drei Monate lang ausgebildet.

Lehrgang

Die Ausbildung in Hammelburg und Wildflecken soll die Inspekteure auf ihren ersten Einsatz während eines kriegerischen Konfliktes vorbereiten. Anfang Oktober waren 25 Mitglieder vor Ort, in dieser Woche nehmen 24 Inspekteure aus folgenden 16 Ländern teil: Großbritannien, USA, Spanien, Indien, Niederlande, Rußland, China, Indonesien, Slowakei, Kamerun, Brasilien, Rumänien, Frankreich, Samoa, Uganda und Südafrika.