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In Bad Brückenau: Akkordeon - aber schön


Autor: Redaktion

Bad Brückenau, Montag, 26. März 2018

Große Kabarettbühnen sind sein Zuhause, jetzt begeisterte der "hinreißend beleidigte Akkordeonkünstler" Frank Grischek in Brückenaus Galerie Form und Farbe.
Frank Grischek begeisterte in der Bad Brückenauer Galerie Form und Farbe. Foto: Hans Dietrich Unger


Gleich zu Beginn der Veranstaltung in Bad Brückenau zeigte sich der Künstler "überrascht, dass sich so viele in ein Akkordeon-Kabarettkonzert wagen". "Wenn nur zehn mehr gekommen wären, hätte ich Barbara Schöneberger für die Moderation engagiert", witzelte er selbstironisch und stellte sich als "Mann mit Idealmaßen" vor. Er gab aber schnell schlecht gelaunt zu, dass es vielleicht ganz gut sei, dass seine Bühnenpartnerin, das Akkordeon, "aus optischen Gründen" vor seinem verhinderten Waschbrettbauch Platz nehme - denn mit ihr zusammen sehe er doch nun wirklich verdammt gut aus, sie sei eben auch irgendwie schlanker als er — seine 12,53 kg schwere Borsini-Superstar.

Zunächst noch etwas verhalten ob des staubtrockenen Humors und nordisch unterkühlten Charmes, lauschte das Publikum bald gebannt den mit unbewegter Miene und mürrischen Worten vorgetragenen Leiden auf dem Karriereweg, erfährt vom uncool roten ersten Plastik-Akkordeon, das immer irgendwie beleidigt klang, bis Grischek dann endlich sein Instrument fand, die Borsini.

Musikalisch führte er mit hinreißend leidenschaftlichen Musettewalzern durch Paris und in die schottischen Highlands und erzählte nebenbei von der Entstehungszeit des Akkordeons (um 1830) und seinen Bauteilen (1600). Bedauerlich, dass die Geige mit nur 70 Bauteilen diesem komplexen Instrument vorgezogen werde. "Warum gibt es keine Oper "Zauberakkordeon", aber eine "Zauberflöte" und "Zaubergeige", klagte er und bewies mit einem Walzer von Chopin und Händels Fuge "Largo", wie wunderbar Klassik auf einem Akkordeon klingen kann.


Tagesprogramm ironisch beschrieben

Ironisch beschrieb er sein Tagesprogramm, bestehend aus mehreren Nahrungsaufnahmen und ungeliebten Haushaltspflichten, um eine Verbindung herzustellen zu Piazolla, dem Großmeister des Akkordeons, der Jazz und Klassik liebte, aber von seinem Vater gezwungen wurde, in Bordellen auf dem Bandeon Tango zu spielen. An jedem Ton hörte man, dass ihm seine ganze Liebe gilt, nicht dem schmissigen Ländler, mit dem er - bravourös im Vortag, aber mit schmerzerfüllter Miene - sein Publikum in die Pause entließ.

Nach Mussorgskys "Katakomben" aus den "Bildern einer Ausstellung" sowie Schuberts "Impromptu" präsentierte Grischek mit seiner Borsini dann Richard Gallianos New Musette und seinen "Heavy Tango".


Feuerwehr begleitet Akkordeon

Mit den Auswanderern in die Neue Welt gekommen, trat das Akkordeon dort nach 1840 seinen Siegeszug an, mit jiddischer Musik, Klezmer, Jazz und gewann insbesondere im Irish Folk hohes Ansehen. "Sie werden jetzt alle auf Akkordeon abfahren", kündigte Grischek an und deshalb erhielt das Publikum - exklusiv zum St. Patricks Day - eine Anleitung zum richtigen Mitwippen mit den Füßen und dem Wummern aus der Hüfte für den folgenden Irish-tune-set: 1387 Töne in vier Minuten. Dass dazu die Feuerwehr mit Martinshorn ausrückte, steigerte das musikalische Erlebnis.

Nach mehreren Zugaben, die Grischek unter anderem mit Taschentrompete und seinem "handgeklöppeltem Horn aus der Mongolei" lieferte, ging der Abend mit einem emotionalen Appell des stoisch wirkenden Künstlers zu Ende: "Bauen Sie mit Musik Brücken der Verständigung, spielen Sie Volkslieder beim Grillfest, laden Sie ausländische Nachbarn dazu ein, lassen Sie fremde Musikelemente zu - und spielen Sie vorzugsweise Akkordeon - dann schaffen wir das! Und sorgen Sie dafür, dass Kleinkunstbühnen bestehen bleiben, allein dass ich heute auftrete zeigt, dass hier Tolles geboten wird!"

Man wusste zuletzt nicht, was schöner war, Wortwitz oder Musik? Künstler oder Instrument? Eigentlich kann man es auch gar nicht beschreiben. Man muss es erlebt haben. Akkordeon. Aber schön. Unbeschreiblich schön. Karin Ott