"Ich bin eine Pfadfinderin"
Autor: Susanne Will
Bad Brückenau, Montag, 22. Oktober 2018
Edith Fecher ist seit vier Jahren Kurseelsorgerin in Bad Brückenau. Menschliches ist ihr nicht mehr fremd. Und sie sieht sich als Pfadfinderin
Berufsbezeichnung: "Diplomtheologin und Pastoralreferentin der Diözese Würzburg mit dem Auftrag der Kur-, Gäste- und Reha-Seelsorge". So müsste sich Edith Fecher eigentlich vorstellen. Sie ist Ansprechpartnerin für erkrankte Menschen, ratsuchende Männer und Frauen, aber auch für die Angestellten der Kurverwaltung. Sie verkürzt ihre Berufsbezeichnung auf ein eher ungewöhnliches Wort: "Ich fühle mich als Pfadfinderin." Im Interview erklärt sie warum.
Frau Fecher, was machen Sie eigentlich?Edith Fecher: Mein Auftrag ist es, Zeit zu haben.
Haben Sie die denn? Ja, und das ist das Großartige. In der heutigen Zeit haben viele Leute kaum mehr Zeit.
Für was? Für sich selbst, für ein gutes Gespräch, dafür, mal einen Blick ins Innere zu werfen und dadurch zu erkennen, wo es in der Zukunft hingehen könnte.
Sie sitzen Menschen gegenüber, die oft an einem Scheidepunkt in ihrem Leben stehen: Menschen mit schweren Krankheiten, die ihr Leben in ein davor und ein Danach teilen. Das stimmt.
Was bewegt diese Menschen?Das Gute ist: Wer zur Reha geht, dem geht es ja schon besser. Der liegt nicht mehr im Krankenbett. Aber viele haben durch ihre Krankheit massive Veränderungen im Berufs- und oder im Privatleben erfahren. Das sind wesentliche Fragen, die diese Menschen umtreibt: Werde ich wieder erwerbstüchtig werden? Wird mein Partner bei mir bleiben? Was kommt jetzt alles auf mich zu?
Aber das sind ja Fragen, auf die Sie keine Antwort geben können. Wenn mich das meine beste Freundin fragen würde, dann wäre ich schon überfordert. Was antworten Sie wildfremden Menschen? Ich bin nicht überfordert, da ich professionell ausgebildet bin. Ich gebe kaum Ratschläge und mache nur ganz wenige Vorschläge - ich versuche, den Blick der Betroffenen auf das zu lenken, was in deren Leben bis dato schon alles gut gewesen ist; wie viel Stärke sie in den vergangenen Jahren schon gezeigt haben. Und ich versuche, mit ihnen herauszubekommen, wo ihre Kraftquellen liegen. Oft kommt die Frage nach dem Warum. Warum habe ich Krebs bekommen? Ich kann sie nicht beantworten. Ich kann die Frage nach dem Warum nur mit den Menschen aushalten und für sie da sein - und trotzdem die Möglichkeit schaffen, auf etwas Positives zu blicken. Eben auf ihre Stärken, die sie im Laufe ihres Lebens schon oft unter Beweis gestellt haben. Wie reagieren die Menschen? Viele sagen: Es war mir gar nicht bewusst, wie viel ich schon bewältigt und geschafft habe - und das schafft ein positives Gefühl für die Zukunft. Ich versuche sie auf einen neuen Pfad zu bringen, deshalb sehe ich mich als Pfadfinderin. Da kommt auch die Seelsorgerin durch, die Pfadfinderin Gottes.