Holzwürmchen mit IT-Kenntnis
Autor: Ulrike Müller
Bad Brückenau, Dienstag, 13. Sept. 2016
In immer mehr Betriebe zieht hochmoderne Technik ein. Wer heutzutage Schreiner lernt, kann beides: zinken, bohren, hobeln - und eine Maschine bedienen.
Sie ist zierlich und nicht besonders groß. Anika Ferdin aus Euerdorf lernt Schreinerin. Sie ist im dritten Lehrjahr schon gut vertraut mit der Arbeit. Auch Michael Remling aus Mitgenfeld weiß bestens Bescheid. Die beiden sind das, was viele Betriebe händeringend suchen: motivierte Auszubildende, die bewusst in der Region bleiben und nicht fortziehen.
Als Beruf haben sie sich ein Handwerk ausgesucht, das viele mit Sägemehl, Hammer und Hobel in Verbindung bringen. Falsch gedacht. Ihr Ausbildungsbetrieb "Möbel und Raum" in Schondra richtet Objekte ein und baut Läden. Und das sieht so aus: Etwa 180 Quadratmeter Spanplatte werden am Tag hier geschnitten und bekantet. Die CNC-Maschine weiß genau, wo sie welches Bohrloch setzen muss. In einer zweiten Produktionshalle werden die Teile verpackt. Zwei bis drei Lkw mit Möbeln verlassen das Firmengelände pro Woche.
Insgesamt 57.000 Meter Kanten verbraucht der Betrieb im Jahr.
Sie können auch massiv
"Die Maschinen dienen uns. Es läuft ja auch niemand mehr von Schondra nach Mitgenfeld, auch wenn's nicht weit ist", sagt Thomas Schuhmann, der die Firma 1998 gegründet hat - zunächst in Schönderling, zwei Jahre später im Gewerbegebiet Schondra. "Ich hab' eine Lochreihe noch mit der Schablone gebohrt", erinnert er sich an seine eigene Ausbildung zum Schreiner. Seit 2000 setzt Schuhmann aufs Handwerk 4.0.Ihre Gesellenstücke fertigen Anika Ferdin und Michael Remling selbst. "Wir können auch massiv", sagt Ferdin und grinst. Die Maschinen, sagt sie, erleichtern die Arbeit enorm. "Wenn ich alle Werkzeuge selbst einspannen müsste, das würde ja Stunden dauern!" Wichtig ist aber, dass sie es kann. An der Berufsschule lernen die Azubis Technisches Zeichnen genauso wie die Handhabung der CNC-Maschine.
Sprungbrett zum Studium
Der digitale Wandel schreitet rasant voran. Als nächstes will Schuhmann das Lager für die Spanplatten automatisieren und eine schnellere Säge sowie eine bessere Bekantungsmaschine anschaffen. "Die Anforderung des Markts wird steigen", sagt er. "Dem hetzen wir nach." Das Holzwürmchen von früher, mit Sägemehl und Hobel, hat nur eine Chance, wenn es den Wandel beim Schopf packt. Anika Ferdin und Michael Remling jedenfalls haben sich ihren Ausbildungsbetrieb auch deshalb ausgesucht, weil er beides bietet: klassisches Handwerk und digitales Know-how. Das Handwerk 4.0 ist ein Schritt auf der Karriereleiter. "Seit 1998 haben wir 50 Leute ausgebildet", sagt Schuhmann. Davon seien sechs zum Studieren weitergezogen, zehn bildeten sich über eine Ausbildung zum Techniker oder Meister weiter. Schön sei: "Die Leute kommen wieder", freut sich Schuhmann. Sie sind zwar nicht mehr in den Fertigungshallen zu finden, sie sitzen jetzt im Büro. Für Michael Remling ist das nichts. "Ich wollte das bewusst nicht", sagt der 19-Jährige. Im Hörsaal sitzen und zuhören liege ihm nicht. Er möchte lieber selbst etwas schaffen.
Handwerk 4.0 und Handwerkertag 2016:
Digitalisierung Unleserliche Notizen, Leerfahrten, falsche Kalkulationen: Mit dem Einsatz von Branchensoftware und mobilen Geräten lassen sich in den Unternehmen solche Fehler vermeiden. Zudem erhöht die digitale Vernetzung die generelle Effizienz.
Ausbildung Solche Veränderungen fließen natürlich auch in die Ausbildung im Handwerk ein. Zum Handwerkertag 2016, der in diesem Jahr am 17. September begangen wird, stellen wir in einer kleinen Serie vor, wie die Digitalisierung in den Ausbildungsberufen Einzug hält. Die weiteren Teile werden am Mittwoch, 14., Donnerstag, 15., und Freitag, 16. September, erscheinen. Dabei wird jeweils ein Handwerksberuf und seine neue digitale Ausrichtung beschrieben.
Handwerkertag Der Handwerkertag 2016 findet in Oberleichtersbach bei Hanse Haus statt. Am Samstag, 17. September, dreht sich dort ab 10 Uhr alles um die berufliche Ausbildung im Handwerk.