Druckartikel: Hanse Haus an Goldman Sachs verkauft: Was das für den Standort in Oberleichtersbach bedeutet

Hanse Haus an Goldman Sachs verkauft: Was das für den Standort in Oberleichtersbach bedeutet


Autor: Rebecca Vogt

Oberleichtersbach, Donnerstag, 06. Mai 2021

Mit Goldman Sachs hat eines der umsatzstärksten US-Unternehmen den Fertighaus-Spezialisten Hanse Haus mit Sitz in Oberleichtersbach übernommen. Wie es dort jetzt weitergeht.
Hanse Haus sitzt und produziert in Oberleichtersbach. Foto: Hanse Haus


Hanse Haus gehört jetzt zu Goldman Sachs. Der Name lässt aufhorchen. Nicht nur, weil das Unternehmen, das sich auf Investment-Banking und Wertpapierhandel spezialisiert hat, wohl den meisten ein Begriff sein dürfte; sondern auch, weil Goldman Sachs auf Platz 60 der 500 umsatzstärksten Unternehmen (Fortune 500) der USA liegt und zudem ein echter Global Player ist.

Aber, was heißt der Verkauf nun konkret für Hanse Haus und den Standort in Oberleichtersbach? Sebastian Gensichen, Prokurist und Bereichsleiter Marketing und Vertriebsinnendienst bei Hanse Haus, erklärt im Gespräch mit der Redaktion unter anderem, wie es in Oberleichtersbach weitergeht und was Hanse Haus interessant für die Übernahme durch Goldman Sachs machte.

Was bedeutet die Übernahme durch Goldman Sachs für den Hanse Haus-Standort in Oberleichtersbach?

"Im Endeffekt hat die Übernahme keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Standort, außer, dass es mit Goldman Sachs nun einen neuen Eigentümer gibt", erklärt Gensichen. Die Nachfrage nach Fertighäusern sei ungebrochen. Seit Januar arbeite man im Drei-Schicht-Betrieb, um den Bedarf zu decken. Rund 900 Mitarbeiter, einschließlich der Auszubildenden, zählt Hanse Haus aktuell, wie Gensichen berichtet. "Pro Jahr fertigen wir circa 800 Häuser." Um den Durchsatz auf rund 1000 Häuser pro Jahr zu erhöhen, ist bis Anfang 2023 der Bau eines weiteren Werks in Oberleichtersbach geplant, wie Gensichen berichtet. Es wäre das Vierte und soll am Buchrasen auf dem Gelände des ehemaligen Sägewerks Vorndran entstehen.

Hanse Haus ist einer der größten Arbeitgeber in der Region: Bleiben im Zuge der Übernahme alle Arbeitsplätze erhalten oder kommen vielleicht sogar weitere hinzu?

"Es werden auf keinen Fall Arbeitsplätze abgebaut", sagt Gensichen. "Im Gegenteil, alle Zeichen stehen auf Expansion." Fachkräfte würden immer gesucht und benötigt, vor allem auch, wenn das neue Werk in Betrieb geht. "Da brauchen wir natürlich Mitarbeiter, die am Ende die Maschinen bedienen."

Was machte Hanse Haus interessant für die Übernahme durch Goldman Sachs?

"Wir sind einer der profitabelsten Hersteller von Fertighäusern", sagt Gensichen. "Unsere Entwicklung zeigt, dass wir erfolgreich unterwegs sind." Daher rühre das Interesse an Hanse Haus. "Der Trend in Deutschland und in Europa geht ganz klar in Richtung Fertighaus", erklärt Gensichen weiterhin. Die Marktanteile würden von Jahr zu Jahr wachsen. 22 Prozent machen Fertighäuser ihm zufolge bei den Neubauten in Deutschland aktuell aus. In einigen Regionen betrage der Anteil sogar bereits um die 35 Prozent. "Bayern liegt über dem Bundesschnitt", sagt Gensichen. Insgesamt gebe es hierzulande noch Nachholbedarf in Sachen Fertighäuser und Holzbauweise. Letztere spiele in anderen Ländern wie zum Beispiel den USA schon lange eine wesentlich größere Rolle.

Goldman Sachs hat sich laut Website Nachhaltigkeit groß auf die Fahne geschrieben. Das passt ja gut zu Hanse Haus, oder?

Jedes Haus, das bei Hanse Haus das Werk verlässt, ist durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zertifiziert. Ab der Ausbaustufe "fast fertig" sogar serienmäßig mit dem Gold-Standard, wie Gensichen berichtet. "Holz ist ein sehr nachhaltiger Rohstoff, der nachwächst, verfügbar ist und eine gute CO2-Bilanz aufweist." Bei der Zertifizierung würden aber viele weitere Kriterien eine Rolle spielen. Es werde zum Beispiel auch geprüft, wo das Haus aufgebaut wird, ob ein Kindergarten, eine Schule oder auch Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe des Standorts sind.

"Es wird auch geschaut, welche Heiztechnik verbaut ist, ob es eine Photovoltaik-Anlage oder zum Beispiel eine Wärmepumpe gibt", erläutert Gensichen. Die zentrale Frage laute: Was macht das Haus, um Ressourcen zu schonen? "Im Bereich Smart Home ist es beispielsweise möglich, die Wäsche einzuschalten, aber - vom Haus gesteuert - erst dann waschen zu lassen, wenn über die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach genügend Strom verfügbar ist."

Pauschal könne man nicht sagen, wie viel sich durch ein nachhaltiges Fertighaus im Vergleich zu einem konventionellen Haus einsparen lasse. "Ich kenne aber einen Abnehmer, bei dem nur mit Photovoltaik-Anlage und guter Dämmung die Gasrechnung am Ende des Jahres bei 200 Euro lag", sagt Gensichen und fügt an: "Das ist fast nichts." Für ein energieeffizientes Fertighaus erhalte man zudem bei einer Förderung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) den Höchstsatz.

Hanse Haus hat seit 2015 nun das dritte Mal den Eigentümer gewechselt. Das spricht einerseits für den Erfolg. Sorgt es nicht aber auch für Unsicherheit?

Gensichen verweist hier auf die jüngere Vergangenheit. "Für die Schörghuber-Gruppe, zu der Hanse Haus bis 2014 gehörte, war der Bereich Fertighaus nicht mehr interessant. Wir haben nicht mehr ins Portfolio gepasst und wurden verkauft." Die dann folgende Übernahme durch Adcuram sei ein Glücksfall und der Beginn einer Erfolgsgeschichte gewesen. "Die vergangenen sieben Jahre waren sicher mit die erfolgreichsten in der Geschichte von Hanse Haus." Ein Eigentümerwechsel biete auch immer die Möglichkeit, viel zu lernen und neue Impulse von außen aufzunehmen, sagt Gensichen. "Wir bewegen uns mit einer ganz anderen Geschwindigkeit. Die vergangenen Jahre haben uns entscheidend nach vorne gebracht." Zum Vergleich: Vor sieben Jahren hatte Hanse Haus laut Gensichen 360 Mitarbeiter und fertigte 350 Häuser im Jahr. Diese Werte haben sich mehr als verdoppelt (siehe oben).

Goldman Sachs belegte 2020 Platz 60 auf der Fortune 500-Liste und ist ein Global Player, der aber auch schon des Öfteren in der Kritik stand, unter anderem ging es um politische Einflussnahme. Wie will man gewährleisten, dass Hanse Haus nicht mit der Kritik in Verbindung gebracht wird?

Goldman Sachs habe als Fortune 500-Unternehmen ein starkes Gewicht, verweist Gensichen auf einen der positiven Effekte. Durch die Übernahme habe man außerdem die Möglichkeit, international zu expandieren, und Zugriff auf weltweite Netzwerke. Mögliche Negativschlagzeilen des US-Unternehmens sieht Gensichen nicht als Problem. "Hanse Haus ist als Marke nach wie vor eigenständig. Wir sind als Marke in Deutschland etabliert und verfügen über eine große individuelle Stärke. Unter dem Strich ist da weniger der Eigentümer entscheidend."

Zum Schluss noch eine allgemeine Frage: Wie beliebt ist die Wohnform des Einfamilienhauses eigentlich heutzutage noch?

Gensichen verweist auf eine Umfrage aus dem Jahr 2018. "60 Prozent der Befragten äußerten dabei ihren Wunsch nach einem Einfamilienhaus. Dieser Wunsch ist ungebrochen. Wir merken selbst, wie die Anfragen und Aufträge gerade während der Corona-Pandemie gestiegen sind. Viele haben durch Corona und den Lockdown ihr eigenes Zuhause schätzen gelernt. Es hat einen deutlich höheren Stellenwert. Die Menschen verbringen viel mehr Zeit daheim und merken, wie wichtig ein eigenes Zuhause ist." Zudem habe das Arbeiten im Home Office gezeigt, dass eine Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort in der heutigen Zeit kein Problem mehr sei und man zum Beispiel auch auf dem Land leben könne, anstatt in einer kleinen Stadtwohnung. Wie Gensichen berichtet, wird das Bauen insgesamt auch nachhaltiger. "Wir haben aktuell schon Lösungen, und schauen, dass wir diese weiterentwickeln, um den Ansprüchen an Nachhaltigkeit und den Klimazielen gerecht zu werden."

Die genauen Vorgänge hinter dem Verkauf an Goldman Sachs: Hanse Haus gehört zur Oikos Group, unter deren Dach außerdem die Marken Bien-Zenker und Living Haus vereint sind. Bei der Unternehmensgruppe handelt es sich um einen europaweit führenden Anbieter von Fertighäusern. Sie war bislang im Besitz von Equistone Partners Europe, einer europäischen Private-Equity-Gesellschaft. (Anmerkung der Redaktion: Private Equity bezeichnet Eigenkapital, das nicht an der Börse handelbar ist.) Die Gesellschaft hat ihre Mehrheitsanteile an der Oikos Group nun an das US-Unternehmen Goldman Sachs veräußert. "Mit einem starken und innovativen Produkt- und Markenportfolio hat sich Oikos erfolgreich als führender europäischer Hersteller von Fertighäusern etabliert. Wir sind begeistert mit Oikos in die Zukunft des nachhaltigen Hausbaus zu investieren und die Wachstumsambitionen von Oikos zu unterstützen", erklärte Mike Ebeling, Managing Director von Goldman Sachs, dazu Anfang März in einer Pressemitteilung anlässlich der Übernahme.