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Fuldas Schicksalstag, der 11. September 1944


Autor: red

Fulda, Mittwoch, 10. Sept. 2014

Am 11. September vor 70 Jahren war ein ruhiger Montag, doch plötzlich regnete es Bomben auf Fulda. Auch am Folgetag kamen die Bewohner nicht zur Ruhe, denn erneut griffen US-Flugzeuge die Stadt an.
Die Brauhausstraße nach dem Angriff: Zwei Frauen (links im Bild) gehen mit einem Kind spazieren. Foto: Stadtarchiv Fulda


Nunmehr 70 Jahre sind seit dem verheerenden Bombenangriff der US-Militärs auf Ful da vergangen. Das Ausmaß der Zerstörung kann sich heute keiner mehr vorstellen. Doch auch in unserer Region regnete es während des Zweiten Weltkrieges zahlreiche Bomben. Neben Schweinfurt und Würzburg fiel auch Fulda Luftangriffen der Alliierten zum Opfer. Aber geplant war der direkte Angriff am 11. und 12. September auf Fulda nicht. Dennoch wurden weite Teile der Stadt zerstört und zahl reiche Menschen fanden den Tod.

Nebel verhinderte den Abwurf

Am Morgen des 11. Septembers flogen Flugzeuge der 3. US-Bomberdivision von Südengland in Richtung Deutschland. Ihre Ziele befanden sich rund um die Stadt Chemnitz - eine Industriemetropole während des Zweiten Weltkrieges. Doch dichter Nebel verhinderte einen dortigen Abwurf der Bomben. Daraufhin suchten sich die Piloten ein "Ausweichziel" - nämlich Fulda.

Dort angekommen, entluden um 13.16 Uhr die 106 US-Bom ber ihre tödliche Fracht. Aus 6000 bis 8000 Metern Höhe regneten 1018 schwere Sprengbomben auf Fulda. Um 13.32 Uhr war der Angriff schon wieder vorbei. Doch die Zerstörung und das Leid zahlreicher Opfer und deren Angehöriger blieb für lange Zeit in der Domstadt. Denn es sollten nicht die letzten Luftangriffe bleiben - und auch nicht der schlimmste.

Als ob die Zerstörung vom 11. September nicht genug gewesen wäre, folgte eine zweite Angriffswelle nicht mal 24 Stunden später. Am 12. September um 12.13 Uhr warfen wieder US-Bomber ihre Fracht auf Fulda. Wieder als "Ausweichziel", weil über dem eigentlichen Ziel gebiet Magdeburg Nebel lag. Gerade die Gebäude rund um den Gemüsemarkt wurden damals in Schutt und Asche gelegt. Allein dort kamen 49 Menschen ums Leben. Auch Kinder waren unter den Opfern. Die Bilanz nach zwei Tagen: 574 Menschen starben, es gab viele Verletzte.

Selten: Farbbilder der Zerstörung

"Insgesamt kamen in Fulda durch alliierte Luftangriffe un gefähr 1600 Menschen ums Le ben, ohne dass wie etwa in Würzburg oder Schweinfurt die ganze Stadt zerstört wurde", berichtet Thomas Heiler, Leiter des Stadtarchivs Fulda. Die Innenstadt zwischen Bahnhof und Königstraße glich einem Trümmerfeld. Dabei gab es abgesehen von den Gummiwerken keine militärisch wichtigen Einrichtungen in der Domstadt.

Im Stadtarchiv Fulda lagern viele Dokumente aus dieser Zeit. Eine Besonderheit: Die Verwüstung von Fulda wurde auf Farbfilm festgehalten. "Es gibt nur sehr wenige Farbbilder, die das Ausmaß der Zerstörung dokumentieren", zieht Heiler den Vergleich zu anderen deutschen Städten, die im Krieg zerstört wurden. Der Grund: Der Fotograf, der eine Drogerie in der Stadt betrieb und gute Kontakte zu den Nazis gehabt haben soll, konnte die Bilder wohl vor der Zensur bewahren.

Für die Menschen blieb der An griff nicht ohne Folgen. Am 5. Oktober 1944 startete die Ful daer Zeitung einen Aufruf an "alle Männer zwischen 16 und 60 Jahren". Ziel des Großeinsatzes sie sollten sich an der "möglichst weitgehenden Beseitigung der durch die Terrorangriffe verursachten Schäden in unser Stadt" beteiligen. Doch kaum war halbwegs aufgeräumt, ging der Horror aufs Neue los.

Der erste gezielte Luftangriff auf Fulda fand am 26. November 1944 durch britische Kräfte statt. Glücklicherweise ging er aufgrund des Versagens elektronischer Spezialausrüstung, die den Abwurf durch eine geschlossene Wolkendecke ermöglichen sollte, schief.

Viele Tote am Bahnhof

Wenige Monate später, am 27. Dezember 1944 war Fulda dann erneut Pri märziel von Luftangriffen. Die Alliierten wollten den letz ten Vorstoß der Deutschen Wehrmacht, die so ge nannte Ar dennen-Offensive, aufhalten. Damals, kurz nach Weihnachten, herrschte am Bahnhof reges Treiben. Deshalb gab es an diesem Tag die meisten Todesopfer der Luftangriffe auf Fulda: 775 Menschen kamen ums Leben.

Nach Kriegsende war von der einst prächtigen Domstadt nicht mehr viel übrig: Etwa ein Drittel des Stadtgebietes wurde durch die Bombenangriffe der Alliierten verwüstet. Heute ist das nur schwer vorstellbar, wenn man durch die belebte Fußgängerzone schlendert. Sebastian Vogt und Ulrike Müller