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Ernüchterung in der Innenstadt


Autor: Rolf Pralle

Bad Brückenau, Dienstag, 03. November 2015

Von der Eröffnung des Fachmarktzentrums hatte man sich auch eine Belebung der nur wenige Schritte entfernten Ludwigstraße versprochen. Die Erfahrungen der dort ansässigen Geschäftsleute sind ernüchternd.
Gerhard Fläschner und sein Sohn Sebastian sorgen dafür, dass das Modegeschäft läuft.  Foto: Ulrike Müller


"Die Hoffnungen, dass Besucher des Fachmarktzentrums die Frequenz in der Ludwigstraße positiv beeinflussen, hat sich für unser Haus leider nicht erfüllt", sagt Gerhard Fläschner vom gleichnamigen Modegeschäft. Ganz im Gegenteil, denn in Gesprächen mit Kunden stelle er regelmäßig fest, dass bei schnellen Besorgungen die Läden in der Sinnau mit der direkten Anfahrmöglichkeit bevorzugt würden. "Für uns bleibt es weiter ein extrem schwieriger Geschäftsverlauf, eine Fußgängerzone in einer Kleinstadt ist inzwischen ein echter Wettbewerbsnachteil", meint der Unternehmer, der nicht nur seine Situation ins Auge fasst.


Leerstand in der Ludwigstraße

Betroffen mache ihn der Leerstand in der gesamten Ludwigstraße, "der eine dramatische Größenordnung erreicht hat". Fläschner ist natürlich bewusst, dass Faktoren wie Online-Handel oder rückläufige Einwohnerzahlen zu gravierenden Änderungen geführt haben. "Was mir aber fehlt, ist die Unterstützung der breiten Öffentlichkeit und unseres Stadtrates, etwas für die Händler in der Fußgängerzone zu machen", beklagt der Modefachmann. Leider würden die Verantwortlichen die Wichtigkeit des Einzelhandels für eine Stadt total unterschätzen.
Dem Einzelhandel werde vorgeworfen, zu wenig Werbung zu machen und nicht die richtigen Öffnungszeiten anzubieten. "Da ist wahrscheinlich so manchen Leuten der betriebswirtschaftliche Zusammenhang nicht bekannt", analysiert Fläschner.


Durchaus ein Gewinn

Trotz aller Schwierigkeiten ist seiner Meinung nach das Fachmarktzentrum für Bad Brückenau als Einkaufsstadt durchaus ein Gewinn. Man müsse beispielsweise nicht mehr wegen des Fehlens eines Drogeriemarktes wegfahren oder online gehen. "Die Anbindung ist gelungen, könnten die Kunden von dort auch mit dem Auto ihre Anliegen im Rest der Stadt erledigen, würde das zu einer Belebung von Bad Brückenau beitragen", so seine Einschätzung.

Ähnliche Erfahrungen wie Fläschner hat Matthias Dittmayer vom Reformhaus gemacht. "Das so genannte Fachmarktzentrum hat Bad Brückenau nicht, wie von manchen Entscheidungsträgern erhofft, mehr Frequenz in die Innenstadt gebracht, sondern das Gegenteil ist eingetreten. Die Innenstadt wurde noch mehr geleert", sagt der Geschäftsmann. Das sei aus seiner Sicht aber nicht verwunderlich, "da es genügend Beispiele anderer vergleichbarer Städte gibt, wo man dasselbe beobachten kann". Diese Zentren würden durch Parkplätze vor der Tür und kleine Wege die Kunden natürlich aus den Innenstädten abziehen. Das sei nichts Neues. Bad Brückenau habe also dieselben Fehler gemacht wie schon zig Kleinstädte zuvor.


"Verbale Irreführung"

"Leider wurden keine neuen mutige Konzepte erarbeitet, sondern die alten Wege gegangen, woran schon so viele Innenstädte gescheitert sind", macht Dittmayer deutlich. Seiner Meinung nach ist auch der Name Fachmarktzentrum "eine verbale Irreführung".


Fremde Federn

Man versuche sich da mit fremden Federn zu schmücken. "Denn ich bezweifele, dass bei den dort ansässigen Filialen der Fachverkäufer zu finden ist, der auch die richtige Ausbildung hat und sich die Zeit nehmen kann, den Kunden bei speziellen Fragen, Wünschen und Problemen fachkundig zu bedienen und zu beraten", konstatiert Dittmayer. Er möchte mit dieser Aussage aber keineswegs dem dort beschäftigten Personal zu nahe treten, "denn diese Entwicklung liegt in der Natur der Dinge". Der Rückgang der Kundenfrequenz in der Ludwigstraße, so der Unternehmer, betreffe zwischenzeitlich übrigens nicht nur den Handel, sondern habe auch schon die Cafés und Eisdielen erreicht. Das alles sei vorhersehbar gewesen. Aktuell gestalte es sich natürlich noch schwieriger, neue zukunftsfähige Läden in der Innenstadt anzusiedeln.


Raus aus der Ludwigstraße

Das Schuhhaus Dörflinger hat Konsequenzen gezogen und die Dependance in der Ludwigstraße komplett geschlossen. Seit einigen Wochen ist die Firma nur noch im modernisierten Geschäft in der Marktgasse vertreten. Mit dieser Entscheidung habe man sich auf die neue Situation eingestellt. "Weitere Kommentare möchte ich dazu nicht abgeben", sagte Adolf Dörflinger.